Eine Telefonaktion für Menschen über 75 Jahre

Die Pfarrei Arbon hat sich in dieser kontaktarmen Zeit etwas Besonderes einfallen lassen: 25 Freiwillige haben sich seit Mitte März bei fast 700 Haushalten mit älteren Menschen nach ihrem Empfinden und Bedürfnissen erkundigt. 

In aussergewöhnlichen Zeiten wie diesen sind auch aussergewöhnliche Aktionen gefragt. Kaum wurde der Kontakt insbesondere für ältere Menschen eingeschränkt, machte sich Simone Zierof, die sich seit letztem August die Gemeindeleitung ad interim mit ihrem Mann Tobias teilt, daran, eine Idee zu entwickeln, wie die Pfarrei mit dieser Gruppe Menschen verbunden bleiben kann. Nichts lag näher, als sich bei diesen Kirchenmitgliedern unter dem Motto «Wir bleiben verbunden» telefonisch zu melden. «Zuerst wollten wir alle Mitglieder über 65, die wir aus dem Verwaltungsprogramm herausfiltern konnten, auf die Telefonliste nehmen. Dies hätte aber den Rahmen gesprengt, da uns weit über 1000 Personen angezeigt wurden», sagt Zierof. Nachfragen bei 65-Jährigen zeigten zudem, dass diese aktiv und gut organisiert sind. Somit wurde die Suche auf über 75-Jährige angesetzt, woraufhin immer noch gut 780 Personen erschienen. 

Nummern übers Internet 
Zuerst erhielten alle Pfarreiaktiven und Verantwortlichen, wie etwa vom Kirchenchor oder von der Frauengemeinschaft, «ihre» Senior*innen zugeteilt – rund 30 Personen pro Liste. Auch Katechetinnen und der Organist halfen mit. «In einem ersten Schritt wurden die eruierten Personen schriftlich darauf aufmerksam gemacht, dass sie sich bei Bedarf melden können, zusätzlich aber auch telefonisch kontaktiert werden», erklärt Zierof. Doch das war gar nicht so einfach, da im Verwaltungsprogramm nur die Adressen, aber keine Telefonnummern hinterlegt sind. So blieb den Telefonierenden nichts anderes übrig, als die Nummern übers Internet oder im Telefonbuch zu suchen. «Leider waren nicht alle Personen auffindbar», bedauert die Gemeindeleiterin. Es wurden noch mehr Freiwillige angefragt, um die Telefonanrufe besser zu verteilen. Zierof sagt dazu: «Die Bereitschaft war erfreulich gross.» 

Versiert mit Tablets und Handys 
Um den Telefonierenden den Einstieg für ein solches Telefongespräch zu erleichtern, hat Zierof einen Leitfaden erstellt, in dem einige relevante Punkte zur Fragestellung aufgeführt sind. «Es sind nicht alle gleich gewohnt, ein solches Gespräch mit ganz unbekannten Menschen zu führen», so Zierof. Ausserdem sollte mit diesem Leitfaden der kontaktierten Person sofort klargemacht werden, dass es sich nicht um einen betrügerischen Anruf handelt. Die anrufende Person machte sich beim Erstkontakt Notizen, falls die*der Gesprächspartner* in um einen weiteren Anruf bat. Auch wurde gut hingehört, falls schwerwiegende Sorgen da waren, um diese Personen an einen Seelsorger weiterzuleiten. Zudem wurde auf die Angebote der Pfarrei hingewiesen, die trotz Corona-Krise möglich sind. «Ich war sehr überrascht, wie versiert die älteren Personen mit Tablets und Handys sind», sagt Zierof. Sie wollte den Fokus nicht nur auf die ältere Bevölkerung legen. «Mir ist es genauso wichtig, dass die Katechetinnen mit den Schulkindern und mit deren Eltern in Kontakt bleiben, gerade bei Alleinerziehenden, bei denen sich finanzielle Sorgen auftun.» 

Etwas beigetragen 
Mägi Federer aus Arbon ist eine jener Freiwilligen, die in den letzten Wochen fleissig zum Telefonhörer gegriffen hat. «Obwohl ich gar nicht gerne telefoniere», wie sie anfügt. Doch als Mitglied der Vorbereitungsgruppe der Seniorennachmittage sowie der Bibelgruppe war ihr klar, wie wichtig der regelmässige Kontakt ist. Sie habe zwar nur zwei Personen auf ihrer Liste gekannt, aber durchwegs positive Reaktionen erhalten. «Viele Menschen wollten sich mitteilen und schätzten deshalb das Gespräch, das sie sonst etwa nach den Gottesdiensten führen », sagt Federer. Die Überwindung hat sich für sie gelohnt und hinterlässt das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben. Ein weiterer fleissiger Telefonist ist Diakon Matthias Rupper, der auch in der Seniorenarbeit tätig ist und deshalb viele Kontakte bereits kannte. Bei einer Frau, deren Mann am Virus erkrankt ist, ruft er immer noch an. Andere beliessen es beim Erstkontakt, da sie gut organisiert sind. Bei Personen, die kürzlich ihre*n Partner*in verloren haben, meldet er sich häufiger. «Die meisten Leute sind auf jeden Fall sehr dankbar und schätzen die Aktion», sagt der Diakon. 

Claudia Koch (27.04.20)


Kontakt halten


Die katholische Landeskirche Thurgau hat zusammen mit dem Bistum Basel die Pfarreien dazu ermutigt, weiterhin mit den Menschen Kontakt zu halten und in Kontakt zu treten. Sie empfehlen den Pfarreien, Pfarreiangehörige flächendeckend anzurufen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. 

Simone Zieroff
Simone Zierof, Co-Gemeindeleiterin ad interim in Arbon, hat die Telefonaktion für über 75-Jährige
organisiert.

Bild: Tobias Zierof

 

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