Die Beratungsstelle der Caritas bietet Hilfe

Im letzten Jahr haben sich fast 400 Personen telefonisch oder schriftlich mit Fragen zum Thema Schulden an die Caritas Thurgau gewandt. Die Sozialarbeiterinnen Salome Kern und Janine List nehmen die Anfragen in Weinfelden entgegen und kümmern sich um die Sorgen der Anrufen-den. Ein Gespräch mit den Schuldenberaterinnen.

Wer wendet sich an die Schuldenberatung?

Janine List: Von der jungen Lehrabgängerin bis zum 80-jährigen Rentner gibt es alles. Alleinstehende, Paare, Alleinerziehende oder Familien, auch Bildungsabschluss und Einkommen sind sehr verschieden. Einige haben keine Ausbildung abgeschlossen und verdienen mit einer Vollzeitstelle 3'000 Franken. Wir beraten aber auch Personen mit Tertiärabschluss und einem Monatslohn von über 10‘000 Franken. Viele haben eine Lohnpfändung. 

Wie sind die Schulden entstanden?

Salome Kern: Vereinzelte Personen haben Konsumschulden und leben über ihre Verhältnisse. Oftmals sind es aber auch Schicksalsschläge, wie sie jeden treffen können. Wenn wegen einer Trennung oder Scheidung plötzlich zwei Wohnungen benötigt und Alimente bezahlt werden müssen. Oder jemand verliert seinen Job, findet zwar eine neue Anstellung, verdient aber weniger. Dann reicht es nicht mehr für die Miete, die Krankenkasse und das Auto. Ferner gibt es junge Erwachsene, die aus Liebe oder unter Druck einen Kredit aufnehmen, um dem verschuldeten Partner oder den Eltern helfen zu können, und so selbst in die Schuldenfalle geraten. 

Wie hoch sind die Schulden der einzelnen Personen?

Janine List: Im letzten Jahr lag der Durchschnitt bei 81‘000 Franken. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass auch Personen zu uns kommen, die mit ihrer Selbstständigkeit als Einzelfirma gescheitert sind. Deren Schulden übersteigen oftmals 500‘000 Franken. Es kommen aber auch Menschen zu uns, die zwischen 2‘000 und 5‘000 Franken Schulden haben. 

Wie kann die Caritas Thurgau helfen? Werden auch Schulden übernommen? 

Salome Kern: Nein. Weder übernehmen wir Schulden, noch können wir Geld für einen Privatkonkurs vorstrecken. In den Schuldenberatungen werden die ganze Situation und die Ursache für die Verschuldung gemeinsam angeschaut. Wir stellen ein Budget auf und besprechen mögliche Lösungswege. Wir bieten auch Schuldensanierungen an, bei welchen wir die Verhandlungen mit den Gläubigern übernehmen und einen Abzahlungsplan erstellen. Mit Personen, die Privatkonkurs anmelden wollen, klären wir ab, ob dies der einzige Weg ist. 

Was versteht man unter einer Schuldensanierung?

Janine List: Bei einer Schuldensanierung werden die Schulden zurückbezahlt. Voraussetzungen für eine Schuldensanierung sind ein regelmässiges Einkommen, eine stabile Lebenssituation und ein monatlicher Überschuss, mit dem die Schulden beglichen werden können. Grundsätzlich dauert eine Schuldensanierung drei Jahre. Im Erstgespräch wird die Situation analysiert und ein Sanierungsbudget erstellt. Während einer Probezeit von drei Monaten dokumentieren die Schuldner*innen ihre Ausgaben und es werden monatliche Kontrollgespräche geführt. Danach wird ein Schuldensanierungsvertrag abgeschlossen. Wir Sozialarbeitende nehmen die Verhandlungen mit den Gläubigern auf und unterbreiten ihnen ein Abzahlungsangebot. Wenn alle Gläubiger dem Vorgehen zustimmen, beginnen die monatlichen Zahlungen. Sind die Schulden bezahlt, lassen wir die Betreibungen und Ver-lustscheine löschen.

Was ist, wenn die Gesamtschuld nicht innert drei Jahren zurückgezahlt werden kann?

Salome Kern: Wenn dieser Fall eintrifft, verhandeln wir mit den Gläubigern und bitten um einen Teiler-lass der Schulden, um den verschuldeten Personen nach drei Jahren einen Neustart zu ermöglichen. Dadurch können auch Sanierungen durchgeführt werden, bei denen nicht die gesamte Schuldensumme zurückbezahlt werden kann. Diese Abklärungen, Berechnungen und Verhandlungen können jedoch sehr zeitintensiv sein. 

Was sind Herausforderungen bei der Beratung?

Janine List: Viele Leute schämen sich und kommen erst spät in eine Beratung. Die Meinung, dass man erst Schulden hat, wenn eine Betreibung vorliegt, ist weit verbreitet. Sobald man Rechnungen hat und weiss, dass man diese nicht bezahlen kann, sollte man schnellstmöglich die Schuldenberatung aufsuchen.

Gibt es auch erfreuliche Erlebnisse?

Salome Kern: Am meisten freut es uns, wenn verschuldete Personen dank einer Sanierung ihre Schulden zurückzahlen und danach wieder schuldenfrei in ihr weiteres Leben starten können. Auch berührend war, als ein Mann während des Beratungsgesprächs in Tränen ausbrach. Obwohl er seit vielen Jahren Schulden hatte, konnte er zum ersten Mal mit jemandem über seine Situation sprechen. Das war für ihn sehr befreiend.

Gibt es durch Covid-19 mehr Schulden?

Janine List: Bis jetzt haben wir erst wenige Personen beraten, die sich wegen Covid-19 verschuldet haben. Unsere Erfahrung zeigt, dass die Schuldenberatung erst in Anspruch genommen wird, wenn die Leute betrieben werden und realisieren, dass sie ihre Situation nicht mehr ohne Hilfe handhaben können. Wir rechnen deshalb in den kommenden Monaten mit einer Zunahme der Anfragen. 

Sarah Stutte, forumKirche, 29.10.21 

www.caritas-thurgau.ch
 

Schulden
Quelle: www.pixabay.com
Oft führen Schicksalsschläge dazu, dass man die Rechnungen nicht mehr bezahlen kann und sich Schulden ansammeln.

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