Ein Überblick über das Abschlussdokument der Weltsynode

In 22 Kapiteln fasst das Abschlussdokument die Themen der Weltsynode zusammen. Frauen sollen mehr Einflussmöglichkeiten in der Kirche bekommen. Positionen zum Thema sexuelle Minderheiten kommen nicht vor. Eine grosse Überraschung gibt es bei der bischöflichen Macht: Diese soll eingeschränkt werden.

Am Mittag des 28. Oktobers erhalten die Synodalen das Abschlussdokument auf Italienisch. Die englische Version liegt erst Minuten vor Sitzungsbeginn vor. Am Nachmittag wird den 345 Synodalen das gesamte Dokument zunächst vorgelesen. Dann folgt die Abstimmung. Jeder Absatz muss zwei Drittel der Stimmen erhalten. Am späten Abend ist es vollbracht. Die Weltsynode nimmt das 37-seitige Abschlussdokument an. Jedes der 22 Kapitel widmet sich einem Themenkomplex. Jedes Kapitel ist unterteilt in «Konvergenzen», «Zu behandelnde Fragen» und «Vorschläge». Dank dieser Struktur können auch Themen berücksichtigt werden, bei denen Uneinigkeit herrscht. Bei den vorher heiss diskutierten Themen «Frauen» und «LGBTQ+» gibt es keinen Durchbruch. Dafür bezieht die Synode beim Thema «Missbrauchsaufklärung und –prävention» klar Position.

Gewaltenteilung gefordert
Kapitel 12, «Bischof in kirchlicher Gemeinschaft», birgt die vielleicht grösste Überraschung des Abschlussdokuments. Hier wird eine «Kultur der Transparenz und die Einhaltung von Verfahren zum Schutz von Minderjährigen und schutzbedürftigen Personen» gefordert. Und konkret: «Das heikle Thema des Umgangs mit Missbrauch bringt viele Bischöfe in die schwierige Lage, die Rolle des Vaters und des Richters miteinander zu vereinbaren. Es sollte in Erwägung gezogen werden, die richterliche Aufgabe einem anderen Gremium anzuvertrauen, das kanonisch festgelegt werden sollte.»
Mit anderen Worten: Die Weltsynode fordert eine Gewaltenteilung. Nicht mehr der Bischof soll Richter seiner Priester sein, sondern ein «anderes Gremium». Implizit erkennt die Synode die systembedingte bischöfliche Befangenheit bei der Missbrauchsbekämpfung an. Weiter fordert die Synode eine periodische Überprüfung der bischöflichen Arbeit und die Implementation einer «Kultur der Rechenschaftspflicht». Mit klaren Worten benennt die Weltkirche hier die systemischen Faktoren der Missbrauchskrise und -vertuschung.

Ausweichen beim Thema Frauen
Kapitel 9 widmet sich explizit den Frauen. Das Ringen um jedes Wort ist hier deutlich zu spüren. Ein Scheitern der Abstimmung an diesem umkämpften Thema sollte auf jeden Fall vermieden werden. Sie hätte sowohl an den Konservativen als auch an den Frauen scheitern können. Worauf man sich einigen konnte: «Die Kirchen in aller Welt haben den Ruf nach einer stärkeren Anerkennung und Aufwertung des Beitrags der Frauen klar formuliert.» Es müsse künftig diskutiert werden, wie «die Kirche mehr Frauen in bestehende Rollen und Ämter einbeziehen» kann, «um die Charismen aller besser zum Ausdruck zu bringen und den pastoralen Bedürfnissen besser gerecht zu werden». Und falls neue Ämter für Frauen «erforderlich sind», müsse geklärt werden, «auf welcher Ebene und in welcher Weise».
Nicht einigen konnte man sich in der Frage des Diakonats. Hier gibt das Abschlussdokument die verschiedenen, faktisch unvereinbaren Positionen wieder und verweist auf die noch ausstehenden Ergebnisse der vom Papst eingerichteten Kommissionen. «Wenn möglich sollten die Ergebnisse» an der Synode im Oktober 2024 vorgestellt werden. Kleiner Lichtblick: Laut der Weltsynode sollten künftig entsprechend ausgebildete Frauen in allen kanonischen Verfahren als Richterinnen fungieren dürfen.

LGBTQ+ tauchen nicht auf
Noch weniger Fortschritt gibt es beim Thema «LGBTQ+». Hier konnten sich die Konservativen durchsetzen. Bis zuletzt war gerätselt worden, ob der Begriff «LGBTQ+» Einzug in das Abschlussdokument finden würde. Jetzt ist klar: Er hat es nicht. Kapitel 15, «Kirchliche Unterscheidung und offene Fragen», erkennt an: «Einige Themen wie die Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung, das Ende des Lebens, schwierige Ehesituationen und ethische Fragen im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz sind nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Kirche umstritten, weil sie neue Fragen aufwerfen.»
Dass bei diesem Thema die Kontroversen besonders gross waren, ist bekannt. Und es zeigt sich in der Wortwahl, die vor allem eines vermeidet: sich festzulegen. «Es ist wichtig, sich die nötige Zeit für diese Überlegungen zu nehmen und unsere besten Kräfte darauf zu verwenden, ohne sich zu vereinfachenden Urteilen hinreissen zu lassen, die den Menschen und dem Leib der Kirche schaden.»

Annalena Müller/Red., 01.11.2023


Auszüge aus dem Abschlussdokument

«Es sollten Strukturen und Verfahren in rechtlich festzulegender Form für die regelmässige Überprüfung der Arbeit des Bischofs geschaffen werden und zwar in Bezug auf den Stil seiner Autorität, die Finanzverwaltung des Vermögens der Diözese, das Funktionieren der Mitwirkungsgremien und den Schutz vor jeder Art von Missbrauch. Eine Kultur der Rechenschaftspflicht ist integraler Bestandteil einer synodalen Kirche, die Mitverantwortung fördert, und ein möglicher Schutz gegen Missbrauch.»
(Relazione di Sintesi, 12, j)

«Hinsichtlich des Zugangs von Frauen zum diakonischen Dienst wurden unterschiedliche Positionen vertreten. Einige halten diesen Schritt für inakzeptabel, da er im Widerspruch zur Tradition stünde. Für andere hingegen würde die Zulassung von Frauen zum Diakonat eine Praxis der frühen Kirche wiederherstellen. Wieder andere sehen in diesem Schritt eine angemessene und notwendige Antwort auf die Zeichen der Zeit, die der Tradition treu ist und ein Echo in den Herzen vieler finden kann, die nach neuer Vitalität und Energie in der Kirche suchen. Einige äussern die Befürchtung, dass diese Forderung Ausdruck einer gefährlichen anthropologischen Verwirrung ist, die die Kirche dem Zeitgeist angleichen würde.»
(Relazione di Sintesi, 9, j)
 

Die Teilnehmenden der Weltsynode
Quelle: © Annalena Müller, kath.ch
Die Teilnehmenden diskutierten vier Wochen lang die Themen der Weltsynode.

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