Im Kontakt mit Menschen sein

Am 15. Februar trafen sich die Seelsorgenden des Kantons Thurgau in Frauenfeld. Im Zentrum des Morgens stand der Gesprächsaustausch darüber, wie sich die Kirche heute präsentiert.

Die erste Pastoralkonferenz dieses Jahres widmete sich dem Zustand der Kirche. Dafür waren Damian Kaeser-Casutt, Pastoralverantwortlicher des Bistums Basel, und die Regionalverantwortliche des Bistums, Brigitte Glur, angereist. Kaeser-Casutt führte ins Thema ein mit folgendem Zitat von Max Frisch: «Krise kann ein produktiver Zustand sein. Man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.» Danach liess er zwei Videos laufen. Es handelte sich um Vorträge über die Kapitel 5 und 6 der Studie «Religionstrends in der Schweiz – Religion, Spiritualität und Säkularität im Wandel» des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts (SPI). Kapitel 5 trug Urs Winter-Pfändler vor, wissenschaftlicher Projektleiter am SPI, Kapitel 6 Arnd Bünker, Institutsleiter des SPI. Das Plenum hörte die Vortragenden und sah gleichzeitig Auswertungen der Studie. Die gut 40 Anwesenden waren aufgefordert, sich zu notieren, worüber sie im Anschluss diskutieren wollten. Winter-Pfändler präsentierte, dass das Vertrauen in die Kirche sehr wichtig ist. Jede dritte befragte Person denkt an einen Kirchenaustritt. Sein Fazit: Den Mitarbeitenden der Kirche muss Sorge getragen werden, denn sie sind deren Visitenkarte. 

Kirche ist wichtig
Arnd Bünker ging in seinem Vortrag ein auf den Vergleich zwischen Menschen, die noch in der Kirche sind, und solchen, die einmal in der Kirche waren. 2009 traten 22 Prozent der evangelisch-reformierten Aufgewachsenen aus der Kirche aus, 2018 waren es 28 Prozent. Bei den Katholik*innen waren es 25 Prozent im Jahr 2009 und 31 Prozent 2018. Zur Kirche gehören mehrheitlich die Typen Distanzierte (nicht spirituell) und Institutionelle (spirituell). Ausgetreten sind die Typen Alternative (spirituell) und Säkulare (nicht spirituell). Alle vier Typen halten die Kirche für die Gesellschaft und insbesondere für sozial Benachteiligte für sehr wichtig. Sie unterscheiden sich nur darin, ob sie eine religiös-spirituelle Identifikation mit der Kirche aufweisen oder nicht.

Erosionsprozess
Die Studie zeigt zudem, dass es innerhalb und ausserhalb der Kirche schwache christliche Glaubensansichten gibt. Es gibt also keinen Abbruch, sondern es handelt sich um einen kontinuierlichen Erosionsprozess, der über mehrere Generationen andauert. Erstaunlich ist, dass auch die Säkularen mit 31 Prozent angeben, an eine höhere Macht zu glauben. Weiter stellt Bünker fest, dass die kirchlich-rituelle Sozialisation in der Familie stattfindet. Allerdings hat der Anteil Säuglinge, die getauft werden, stärker abgenommen als die Kirchenzugehörigkeit. Bünkers Fazit: Die persönliche Abkehr beginnt bereits während der Kirchenzugehörigkeit. 
Nach dem Gehörten diskutierten die Anwesenden in Vierergruppen etwa 30 Minuten lang. Danach wurden die Diskussionspunkte zusammengetragen: Das Vertrauen in die Kirche beruht auf Beziehungen. Sie sind das Wichtigste. Die Bereitschaft zum Dialog ist der Schlüssel, um das Vertrauen zu gewinnen. Die Wirkung der Berichterstattung in den Massenmedien macht den Aufbau von Vertrauen schwieriger, aber auch die soziologischen Verhältnisse erschweren Beziehungen: Menschen wachsen an einem Ort auf, besuchen an einem anderen die Universität, arbeiten wieder woanders. Frauen sind eingeschränkt in der Kirche. Die Basis sieht die Bedürfnisse der Menschen, aber die Strukturen der Kirche sind nicht immer hilfreich, um die Basis zu unterstützen. 

Wie hab ichs mit der Kirche?
Im zweiten Teil ging es darum, sich zu überlegen, wie man selbst zur Kirche steht. Dazu konnten sich die Teilnehmenden Bildkarten aussuchen. Danach fanden sich Gruppen zusammen, um sich gegenseitig das gewählte Foto zu erläutern und sich auszutauschen. Als weiteren Input hatten die Gruppen das Gemeinsame herauszuschälen und auf einem Flipchart (Tafelschreibblock) darzustellen – sei es mit Worten oder mit einer Zeichnung. So kamen folgende Schlagwörter zusammen: Beheimatung versus Entfremdung, Sehnsucht, offene Türen als Chancen, Vielfalt zulassen und wertschätzen, ein Trotzdem, ausserhalb der Komfortzone, Beziehungen machen Kirche aus sowie Authentizität als Kirche durch Mitarbeitende, die Platz haben mit Zweifeln und Fragen und Frust. Damian Kaeser-Casutt schloss den Morgen mit dem Fazit, dass die Zukunft zwar nicht angesprochen worden, aber man ehrlich im Gespräch gewesen sei. Brigitte Glur ergänzte, an einer weiteren Konferenz könne man ein konkretes Thema zur Zukunft behandeln.

Béatrice Eigenmann, forumKirche, 01.03.2023
 

Pastoralkonferenz 2023
Quelle: Béatrice Eigenmann
Lebhafter Austausch an der ersten Pastoralkonferenz 2023

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