Arnd Bünker ordnet den Bericht zum synodalen Prozess ein 

Der Schlussbericht des nationalen synodalen Prozesses plädiert für mehr Synodalität und kritisiert die Diskriminierung von Frauen, Geschiedenen und LGBTIAQ*. Der Theologe Arnd Bünker findet: Die Kirche müsse synodaler werden – und regional passende Lösungen ermöglichen.

Was sagen Sie zum Schlussbericht des synodalen Prozesses, der nun von der Schweiz nach Rom geht?
Er ist eine gute Beschreibung, wie kirchlich engagierte Menschen die Herausforderungen der katholischen Kirche in der Schweiz sehen. Alle haben verstanden, dass sich etwas ändern muss. Trotz grossen Engagements verliert die Kirche den Anschluss an die Gesellschaft.

Welchen Unterschied gibt es zwischen dem Entwurf des Berichts, der in Einsiedeln diskutiert wurde, und dem Schlussbericht?
Der Schlussbericht ist sprachlich präziser geworden, zum Beispiel beim Begriff Ausschluss. Menschen fühlen sich von der Kirche ausgeschlossen, zum Beispiel Frauen, Geschiedene und LGBTIAQ*. Und trotzdem gibt es hier deutliche Unterschiede. LGBTIAQ* werden wegen ihrer sexuellen Identität diskriminiert, ihre Partnerschaften werden verurteilt. Frauen wird die Zulassung zum Priesteramt verweigert. Hier ist der Schlussbericht präziser.

Bischof Felix Gmür hat an der synodalen Versammlung in Basel darum gebeten, auf Wörter wie «Forderungen» zu verzichten – denn darauf reagiere Rom allergisch. Haben Sie sich das zu Herzen genommen?
Von «Forderungen» war schon im Berichtsentwurf, den die Pastoralkommission der Bischofskonferenz erstellt hatte, nicht die Rede. Da musste beim Schlussbericht, der von der Dogmatikerin Eva-Maria Faber und dem Exegeten Philippe Hugo erstellt wurde, nichts angepasst werden. Zentral ist etwas anderes: Der Bericht ist eine nüchterne Bestandsaufnahme zu all den Themen, die im synodalen Prozess diskutiert worden sind. Hier hat der Bericht mit der Schlussredaktion eine stärkere theologische Qualität erhalten, etwa durch die Hinweise auf Taufe und Berufung. Der Bericht fragt nach der priesterlichen, königlichen, prophetischen Dimension des Christseins. Hier wird Synodalität theologisch und spirituell besser verankert, was auf der synodalen Versammlung in Einsiedeln auch gewünscht worden war. 

Wenn Sie den Schweizer Bericht mit anderen synodalen Berichten vergleichen: Was fällt Ihnen auf?
Ich habe noch nicht viele Berichte lesen können. Die Schweiz ist aber nach meinem Eindruck kein Sonderfall in der Weltkirche. Viele der Kernanliegen im Bericht finden sich auch in den Berichten anderer Länder. Belgien, Deutschland oder Luxemburg setzen ähnliche Schwerpunkte. Auch aus Kanada, Australien und Lateinamerika hörte ich von ähnlichen Themen: Ausschlusserfahrungen und Diskriminierungen beenden, Klerikalismus überwinden, mehr Synodalität wagen, regionale Lösungen zulassen.

Nach der Synode 72 gingen die Deutschschweizer Bischöfe mutig voran und waren weltweit Pioniere, etwa bei Gemeindeleitungen und der Möglichkeit für Lai*innen, zu taufen und zu trauen. Wo ist dieser Mut geblieben?
Weltweit – das würde ich so nicht sagen, das wird den unterschiedlichen Ausgangsbedingungen auch nicht gerecht: Die lateinamerikanische Bischofskonferenz hat bereits 1969 in Medellín wegweisende Reformen beschlossen. Und zwar als ganze kontinentale Bischofskonferenz! Im deutschen Sprachraum war die Schweiz sicher in vielen Fragen Vorreiterin. Hier kann man bis heute von einer Pionierrolle sprechen. Aber ich warne davor, sich zurückzulehnen: Wir können nicht mit innovativen Ideen von gestern Probleme von morgen lösen. Wir müssen auch in der Schweiz neue Antworten geben, und ich würde mich freuen, wenn uns das als synodale und mutige Kirche gelänge.

Die Schweiz tickt sehr verschieden. Im Bistum Lugano wäre es undenkbar, dass eine Frau tauft – im Bistum Basel ist das hingegen längst Praxis. Tendiert die Bischofskonferenz in Richtung Angleichung – oder in Richtung «Einheit in Vielfalt»?
Einerseits sind die Herausforderungen in den Sprachregionen sehr ähnlich. Andererseits haben wir unterschiedliche strukturelle und kulturelle Voraussetzungen. Das Bistum Lugano hätte gar nicht die finanziellen Möglichkeiten, Theolog*innen zu bezahlen, die eine Familie unterhalten müssen. Von daher brauchen wir schweizweit beides: mehr Zusammenstehen angesichts gemeinsamer Aufgaben, aber auch notwendige Vielfalt bei den Lösungen. Das ist ja auch ein Wunsch des Berichts auf weltkirchlicher Ebene: in der Einheit der Sendung zu den Menschen die Unterschiedlichkeit der Kontexte respektieren und dezentral Lösungen ermöglichen.

Interview: Raphael Rauch, kath.ch/Red., 31.08.2022


Die Pastoralkommission hat den Berichtsentwurf verfasst. Er wurde an der nationalen synodalen Versammlung am 30. Mai in Einsiedeln diskutiert und zur Schlussredaktion an die Dogmatikerin Eva-Maria Faber und den Exegeten Philippe Hugo übergeben. Die Schlussfassung des Berichts finden Sie hier: www.bischoefe.ch unter «Synode 2021-2023»

Arnd Bünker
Quelle: © Silvan Hohl, kath.ch
Arnd Bünker (52) leitet das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut und ist Sekretär der Pastoralkommission der Schweizer Bischofskonferenz.

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