Über die Allianz Gleichwürdig Katholisch

Sie wollen gleiche Rechte für alle Getauften in der katholischen Kirche. Sie wollen vernetzen und sichtbar machen - gleichzeitig wollen sie Brückenbauer*innen sein: Die Allianz Gleichwürdig Katholisch (AGK).

«Wir werden die Kirche nicht innert Jahresfrist auf den Kopf stellen», sagt Mentari Baumann, «aber ich glaube, dass wir einen Schritt weiterkommen.» Baumann ist ab Dezember Geschäftsleiterin der AGK.
Mit dieser neu besetzten Stelle wird die Arbeit der im Januar gegründeten AGK konkreter: Die Allianz setzt sich für «Gleiche Würde und gleiche Rechte» ein, dies in Bezug auf Geschlecht, Lebensform und Weihestand. Sie versteht sich als Dachorganisation all jener, die für diese Reformanliegen in der katholischen Kirche eintreten. Die AGK ist die Nachfolgeorganisation der Allianz «Es reicht», die aus dem Protest gegen den konservativen Churer Bischof Vitus Huonder entstanden war.
Im Unterschied zu dieser möchte die AGK jedoch nicht nur protestieren, sondern auch «vorhandene Ansätze in den Mittelpunkt rücken», sagt Valentin Beck, der als Jubla-Präses Mitglied der Steuergruppe der AGK ist. Als Beispiele nennt er die Regenbogenpastoral im Bistum Basel, aber auch Pfarreien, die ihre Leitung teilen. Solche Ansätze sollen mit einem Label belohnt werden. «Die Allianz fungiert als Vernetzerin, sodass man rascher voneinander und von Anlässen erfährt», sagt Katharina Jost, die als Vize-Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds (SKF) ebenfalls Mitglied der Steuergruppe ist. Durch diesen Wissens-Transfer sollen Reformanliegen «mehr Drive bekommen», hofft Jost. Wichtig sind der AGK zudem Digitalisierung und Professionalisierung, damit die Energie nicht verpuffe.

Reformbischöfen den Rücken stärken

Trotz ihrer Reformanliegen versteht sich die AGK als Brückenbauerin: Reformwilligen Bischöfen möchte sie «den Rücken stärken», so Beck. Kirchenfernen und jüngeren Menschen möchte sie zeigen, «dass Kirche auch anders gelebt werden kann», so LGTB-Aktivistin Baumann.
Wie dies geschehen soll, ist noch weitgehend offen. Geplant sind eine Website und weitere digitale Kanäle, zudem hat die Steuergruppe Kontakt mit der Bischofskonferenz aufgenommen und sich als Gesprächspartnerin im Synodalen Prozess angeboten. Zur Umsetzung ihrer Vision gibt sich die AGK bis 2025 Zeit. Bis dahin sollen «viele Orte sichtbar werden, in denen Kirche anders gelebt wird, als der Vatikan vorschreibt», so Jost. Im Idealfall kann die AGK dazu beitragen, dass es zu «Dammbrüchen in der globalen Kirche kommt», so Beck.

Für Einzelpersonen offen

Der Aufbau der AGK  ist komplex: Massgebliches Organ ist die Projektgemeinschaft. Dieser können sich Einzelpersonen, Organisationen, Vereine, Pfarreien, Bewegungen, Ordensgemeinschaften u.a. anschliessen. Die Zugehörigkeit kann sichtbar oder unsichtbar, mit oder ohne Stimmrecht sein. Zurzeit haben 25 Organisationen bzw. rund 100 Personen ihre Zugehörigkeit erklärt.
Die Basis der AGK bildet ein Trägerverein, der für Kontinuität sorgen und die Finanzen absichern soll. Bislang sind die Jubla Schweiz, die Katholische Sozialbewegung KAB Schweiz, der SKF und die Fachstelle Bildung und Propstei der Römisch-Katholischen Kirche im Aargau Mitglied im Trägerverein. Diese entsenden je eine Vertretung in die Steuergruppe, welcher die strategische Führung obliegt. Die Steuergruppe verantwortet das Profil sowie die Führung der Geschäftsstelle. Die Geschäftsleiterin koordiniert den Informationsfluss der Projektgemeinschaft, initiiert Projekte und Kampagnen und ist Ansprechpartnerin für Medien und kirchliche Gremien. Die Geschäftsstelle ist in Luzern. Finanziert wird die AGK durch Beiträge der RKZ, der Herbert-Haag-Stiftung, des Fastenopfers und des Schweizerischen Katholischen Volksvereins sowie durch Spenden.

Sylvia Stam

Der Beitrag erschien zuerst im «pfarrblatt» Bern

 

«Die Kirche ist nicht Politik, sondern Teil unseres Lebens»

Ein Interview mit Mentari Baumann

Sie ist jung, weiblich und homosexuell. Und sie will die katholische Kirche zu mehr Gleichberechtigung führen: Die Bernerin Mentari Baumann* (28) ist ab Dezember Geschäftsleiterin der Allianz Gleichwürdig Katholisch.

Die katholische Kirche ist geprägt von älteren Männern, die Frauen keine Gleichberechtigung zugestehen und homosexuelle Paare noch nicht einmal segnen. Was ist Ihre Motivation für diese Stelle?

Mentari Baumann: (lacht) Genau das! Wenn ich die katholische Kirche von aussen betrachten würde, hätte ich auch Mühe mit ihr. Sie stimmt nicht überein mit der Art und Weise, wie die Gesellschaft Gleichstellung versteht. Aber ich bin in dieser Kirche aufgewachsen. Ich bin zwar ein wenig anders, als es den offiziellen Kirchenvertreter*innen gefällt, aber das bedeutet nicht, dass ich die Kirche ihnen überlasse.

Haben Sie Hoffnung, dass Sie etwas verändern können in Richtung Gleichstellung?

Wir werden diese Kirche nicht innert Jahresfrist auf den Kopf stellen, das ist weder realistisch noch gewünscht. Aber ich glaube, dass wir einen Schritt weiterkommen.

Eine Ihrer Hauptaufgaben ist die Vernetzung. Sie sind selber bislang im Kirchenkontext wenig bekannt. Wie können Sie da vernetzen?

Ich komme von aussen in diese professionalisierte Kirchenarbeit. Aber ich bin ein sehr kommunikativer Mensch, ich werde am Anfang viel Kaffee trinken gehen (lacht).

Sie werden Kampagnen und Projekte durchführen. Was wird das erste Projekt sein?

Ich werde als Erstes eine Webseite aufbauen. Welche Tools wir hier einsetzen, ist derzeit noch offen. Ausserdem ist ein Label geplant. Dieses soll Pfarreien und Organisationen verliehen werden, die unsere Vision umsetzen: Gleiche Würde und gleiche Rechte in der katholischen Kirche. Dazu werde ich Kontakt aufnehmen mit Organisationen wie Oeku, die das Label «Grüner Güggel» verleihen, um zu erfahren, wie man dabei vorgeht.

Was bedeutet Ihnen die katholische Kirche persönlich?

Sie ist meine Heimat. Sie ist nicht nur die Institution im Vatikan, sie ist eine Glaubensgemeinschaft. Eine Gemeinschaft von Menschen, die sich Gott nahe fühlen, die das Evangelium leben wollen. Die Kirche ist nicht einfach nur Politik. Aber sie wird als Politik ausgelegt: Als Weltkonzern, in dem Geld fliesst, mit Machtverhältnissen. Aber eigentlich ist sie das nicht, sondern sie ist Teil von unserem Leben.

Was ist Ihnen wichtig an diesem Glauben?

Gott ist mir wichtig, meine Beziehung zu ihm und zu anderen Menschen, die Teil dieser Beziehung sind. Es ist mir ein Anliegen, dass niemand das Gefühl bekommt, dass er oder sie nicht Teil dieser Beziehung sein darf. Das erfordert einen Kulturwandel, der Zeit braucht. Aber Projekte wie diese Allianz können einen solchen Kulturwandel anstossen.

Gab es auch Krisen in Ihrem Glaubensleben?

Als Jugendliche habe ich mich von der Kirche distanziert. Als ich Jahre später andere Jugendliche nach Taizé begleitet habe, hatte ich gute Gespräche mit den Mönchen, mit einem indonesischen Bruder. Dadurch bin ich zurückgekommen. Im Studium habe ich gelernt, wieder über Glaubensfragen zu sprechen und meinen persönlichen Glauben in einen grösseren Kontext zu stellen.

Was für berufliche Erfahrungen bringen Sie mit?

Mein Handwerk sind Marketing und Kommunikation. Im Rahmen meiner KV-Ausbildung habe ich beim Bund gearbeitet. Hier war ich ein Jahr im Krisenzentrum tätig, als der Tsunami ausbrach. Das war eine krasse Erfahrung. Hier habe ich gelernt, unter Druck zu arbeiten, aber auch, wie man an Probleme herangehen kann. Aus der Politik weiss ich, was diplomatisches Lobbying bedeutet.
Danach war ich in der Privatwirtschaft tätig, in der Kommunikation und Kundenbetreuung. Aktuell arbeite ich in der Kommunikation von «Blutspende SRK» (Schweizerisches Rotes Kreuz, d. Red.). Das ist eine gemeinnützige Organisation, ich arbeite also nicht für Profit, sondern für eine Sache, die den Menschen etwas bringt.

Sie sind auch noch Studentin.

Ich mache einen interdisziplinären Master in Politik, Religion und Wirtschaft an den Universitäten Luzern, Basel und Zürich. Hier belege ich viele theologische Inhalte.

Sie haben die Stelle unter anderem bekommen, weil sie in der Kirchenszene ein unbeschriebenes Blatt sind. Wieso werden Sie kirchenpolitisch erst jetzt aktiv?

Aus Zeitgründen, und weil mir die Vorbilder gefehlt haben. In der Politik habe ich Vorbilder, die mir inhaltlich und vom Alter her nahe sind. Das hatte ich in der Kirche nicht.

Werden Sie das ändern?

Ich hoffe es.

Wie?

Indem wir sichtbar sind. Nehmen wir Instagram als Beispiel. Hier kann man dabei sein, ohne dass man ein Commitment ablegen muss: Man muss nicht mitmachen, nicht kommentieren, nicht liken. Für den ersten Schritt braucht es das. An kleineren Orten kann man kaum einen Fuss in eine Kirche setzen, ohne dass es heisst: «Oh, jemand Junges. Wir brauchen jemanden für das Minifest» … Das ist zu viel am Anfang. Das macht Angst.

Sie sind GL-Mitglied der FDP-Frauen und Co-Präsidentin der LGTB-Fachgruppe der FDP, ausserdem Präsidentin der Pride in Zürich. Wie bringen Sie das alles zeitlich unter einen Hut?

Es kommt mir sehr entgegen, dass ich monothematisch unterwegs bin: Ich bearbeite das Thema Gleichstellung. Ich habe kein politisches Amt inne, sonst müsste ich mich immer wieder in neue Themen einarbeiten. Ich habe somit deutlich weniger Aufwand und kann auch Synergien nutzen.

Werden Sie Ihre Partnerin heiraten, wenn die Abstimmung zur «Ehe für alle» durchkommt?

Ja.

Was geschieht, wenn die Vorlage abgelehnt wird?

Dann geht es weiter. Es stehen mehrere Instrumente im Raum: Volksinitiativen, parlamentarische Vorstösse. Fix ist derzeit noch nichts. Wenn die Vorlage durchkommt, kann ich mich anderen Themen zuwenden wie zum Beispiel dieser neuen Stelle.

Sie haben einen reformierten Vater aus Bern, eine katholische Mutter aus Indonesien. Was für eine Beziehung haben Sie heute zu Indonesien?

Indonesisch ist meine erste Sprache. Bevor ich eingeschult wurde, habe ich einen grossen Teil meiner Lebenszeit in Indonesien verbracht. Die Schule habe ich aber in der Schweiz absolviert. Darum ist mein Deutsch besser als mein Indonesisch. Ich versuche jedoch, die indonesische Sprache zu behalten und auch politisch im Bild zu bleiben.

Wie reagierte Ihre indonesische Familie darauf, dass Sie lesbisch sind und sich für LGTB-Themen einsetzen?

In Indonesien wird über Homosexualität nicht gesprochen, in einigen Provinzen ist es sogar illegal. Meine Familie hatte vor mir keinerlei Erfahrungen mit Homosexualität, das hat es nicht einfacher gemacht. Aber ich denke, wir sind auf gutem Weg. Deshalb war ich in den letzten Jahren weniger in Indonesien. Inzwischen weiss meine ganze Familie das und meine Frau und ich werden, sobald Corona es erlaubt, nach Indonesien fahren.

Interview: Sylvia Stam

Der Beitrag erschien zuerst im «pfarrblatt» Bern

* Mentari Baumann ist in Wileroltigen (BE) an der Grenze zum Kanton Freiburg aufgewachsen, sie engagierte sich als Ministrantin, ist heute Lektorin und Begleiterin von Firmlingen auf Taizé-Reisen. Sie engagiert sich als Präsidentin der Pride Zurich, ist GL-Mitglied der FDP-Frauen und Co-Präsidentin der LGTB-Fachgruppe der FDP. Sie nimmt überdies an der Frauensession teil, die derzeit in Bern stattfindet. Baumann ist bisher wenig bekannt innerhalb der Kirchenszene Schweiz. Sie erhielt die Stelle unter anderem aufgrund ihrer Erfahrung in der Arbeit von NGO's und ihrer inneren Verbindung zur katholischen Kirche.
 

 
 
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Quelle: Ruben Sprich/«pfarrblatt» Bern
Valentin Beck, Mentari Baumann und Katharina Jost wollen «reformwilligen Bischöfen den Rücken stärken»
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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Quelle: Ruben Sprich/«pfarrblatt» Bern
Mentari Baumann (28) will die Kirche nicht nur den älteren Kirchenmännern überlassen.

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