Nachgespräch über die ukrainischen Flüchtlinge in Polen

Kirche ohne Grenzen führte im März ein spannendes Gespräch mit einer polnischen Helferin und zwei ukrainischen Geflüchteten (forumKirche Nr. 07/2022) und hat jetzt nachgefragt, wie sich deren Situation entwickelt hat. 

Von den 10,3 Mio. Ukrainern auf der Flucht befinden sich momentan 6,3 Mio. in Europa (UN-Statistik), davon überschritten bis 9. August gut 5,3 Mio. legal die polnische Grenze. Anzumerken ist, dass schon vor dem Kriegsausbruch geschätzte 1,5 Mio. Wirtschaftsmigranten aus der Ukraine in Polen lebten. Manche der in Polen arbeitenden Männer kehrten im Frühling in die Ukraine zurück, um für ihre Heimat zu kämpfen. Die meisten Geflüchteten suchten im Nachbarland nur nach einer temporären Lösung. Manche fuhren weiter nach Westen, aber viele gingen zurück in die Ukraine. 

Zurückgekehrt
Auch Julia Gumenyuk und Julia Pavlova gehörten dazu. Als sich die Situation an der Front etwas entspannte, reisten sie mit den Kindern im Mai zurück. Julia Gumenyuk, die Dermatologin, ist zu ihrem Mann und an ihre Arbeit in Kiew zurückgekehrt, während ihr Sohn mit ihren Schwiegereltern in einer sichereren Stadt blieb. Sie besucht ihn am Wochenende. Julia Pavlova kommt aus Lwiw und befindet sich dort im Mutterschaftsurlaub. Ihr Mann ist bei ihr, weil er eine Behinderung hat. Sie beschreibt ihre Lage so: «Wir sind jetzt in der Ukraine, an einem relativ sicheren Ort, wenn man von einem sicheren Ort in der Ukraine überhaupt reden kann. Es ist eigentlich überall unsicher. Wir sind jedoch dankbar für jeden Tag, den wir ohne Bombardierung leben dürfen. Wir brauchen jetzt nichts, danken aber nochmal für alle Hilfe.»

Weiter in Verbindung
Die zwei Helfer, Anna Szwejkowska und ihr Lebenspartner Paweł Markowski, sind durch Soziale Medien noch immer in Kontakt mit den beiden Julias. «Obwohl der Kontakt sporadischer geworden ist, bleibt er sehr herzlich», sagt Anna Szwejkowska. «In Kiew war es in der letzten Zeit unruhig, aber in Lwiw ist es erträglich. Sie sagten uns, dass es ein anderes Leben ist, aber ein Leben zu Hause», erklärt Anna Szwejkowska und fügt hinzu: «Es gibt auch neue Flüchtlinge aus der Ukraine in unserer Stadt, aber nicht mehr so viele wie am Anfang. Das Thema ist beinahe alltäglich geworden. Gesammelte Sachen kommen teilweise zurück, weil manche unsere Stadt verlassen haben. Persönlich helfe ich nicht mehr direkt, es besteht kein akuter Bedarf.» Die staatliche Unterstützung ist inzwischen geregelt und Abläufe funktionieren fliessender. Auch private Helfer organisierten sich gut und schufen Informationskanäle, um miteinander zu kommunizieren. Es gibt beispielsweise die lokale Facebook-Gruppe Szczytno pomaga Ukrainie (Ortelsburg hilft Ukraine) mit über 2‘600 Mitgliedern. Dort findet ein reger Austausch über humanitäre Transporte mit verschiedenen Gütern oder Sammelaktionen statt. Man postet täglich Arbeits-, Wohn-, oder Sachangebote für die Flüchtlinge. Manche Einträge sind auf Ukrainisch und jemand führt ein Online-Sprachkompendium für die Ukrainer, damit sie Polnisch lernen können. Obwohl der Krieg in den Medien nicht mehr so präsent ist, entwickelte sich das zuerst ein wenig chaotische, aber heldenhafte Engagement der polnischen Bevölkerung zu einem festen Bestandteil der gesellschaftlichen Realität. Inzwischen nicht mehr so spektakulär sichtbar, aber sehr ausdauernd und daher umso bewundernswerter. 

Monika Freund Schoch, 16.08.2022
 

Anna Szwejkowska (links) und Julia Pavlova mit ihrem Kind.
Quelle: Anna Szwejkowska
Die Gastfreundschaft der polnischen Helfer war für die Ukrainer*innen sehr spürbar. Anna Szwejkowska (links) und Julia Pavlova mit ihrem Kind.

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