Das Thema «Palästina» sorgt für Diskussionen

«Leben in Würde für alle in Israel/Palästina» - unter diesem Motto kamen im Februar Friedensaktivistinnen anlässlich des Weltgebetstages 2024 in der Paulus-Akademie in Zürich zusammen. Es gehe nicht darum, Partei zu ergreifen, sondern darum, einander zuzuhören, erklärten die Veranstalter.

«Mir hend ziemlich hässigi Kommentar übercho», sagt Beatrice Battaglia, die Projektverantwortliche des Weltgebetstages 2024. Sie sei überrascht gewesen, wie viel Mühe wir hier in der Schweiz hätten, vernünftig miteinander zu reden. Und da war auch ein Erstaunen, dass die, die mitten im Konflikt stehen in Israel/Palästina, manchmal besser miteinander reden können als wir hier im ruhig-fernen Europa. 
Doch zunächst erinnert Vroni Peterhans, die Präsidentin des Weltgebetstages, daran, worum es im Grunde geht: Man muss nicht einverstanden sein mit dem, was andere sagen. Aber man muss bereit sein, sich von Mensch zu Mensch zu begegnen und andere ernst zu nehmen.

Wofür beten – mitten im Krieg?
Nächstes Jahr wird es wohl leichter. Da stehen die Cook-Inseln auf dem Programm. Dem Urlaubsparadies Bora-Bora benachbart, stellen sich rasch angenehme Bilder von Traumplätzen zum Schnorcheln ein. Aber dieses Jahr: Palästina – das Fernsehen liefert die Bilder der Gräueltaten direkt ins Haus. Wofür beten da Christinnen und Christen?
«Es ist ein langer Konflikt», sagt die in Wien lebende palästinensische Friedensaktivistin Viola Raheb. «Aber nur, wenn eine Explosion stattfindet, schaut die Welt kurzzeitig hin.» Viola Raheb versucht zunächst einzuordnen. Sie findet es zu einfach, wenn Europäer schnell vom «importierten muslimischen Antisemitismus» reden. Der Konflikt habe mit der europäischen Geschichte zu tun, denn es sei ein exportierter Konflikt, der seinen Ursprung im europäischen Antisemitismus habe. Und auch das nationalstaatliche Denken sei dieser Region eigentlich fremd, die heutigen Grenzen auch der arabischen Länder seien einst von den europäischen Kolonialherren gezogen worden - willkürlich, ohne Rücksicht auf gewachsene Traditionen. Und fügt etwas resigniert hinzu: Nach 35 Jahren Friedensarbeit sei die Situation heute viel schlimmer als früher. Warum sie heute hier ist, eigens aus Wien angereist? «Die Verleugnung hilft nicht», sagt sie. «Die Benennung ist der erste Schritt zur Aufarbeitung.»

Es geht nicht ohne Erinnerung
Doch schon das ist ein explosiver Satz. Denn was für die Israelis der Festtag der Staatsgründung ist, wird von den Palästinensern als «Nakba», als Tag der Katastrophe, bezeichnet. Israel empfindet den Begriff als Bedrohung seiner Existenz, das Wort ist in den Schulbüchern verboten. Manche der damals 750'000 Vertriebenen leben heute noch, doch es wird ihnen das Recht abgesprochen, über ihre Erfahrungen zu sprechen. «Das Vergessenwollen verlängert das Exil, und das Geheimnis der Erlösung heisst Erinnerung», so lautet eine jüdische Weisheit, und das scheint auch für diesen Konflikt zu gelten.
Auch die Schlüssel, die auf dem Titelbild des Weltgebetstages als Schmuckanhänger abgebildet sind, sorgen für Diskussion, stehen sie doch für den Wunsch nach Rückkehr in die alte Heimat. «Indem man Schlüssel verbietet, kommt man nie zum Anschauen des Traumas, nie zum Frieden», gibt Viola Raheb zu bedenken. «Ein Land für alle. Diese Idee wurde immer wieder von verschiedenen Seiten bekämpft», beklagt die Friedensaktivistin. Aber was ist die Alternative? Dass die eigene Sicherheit mit der Negation der anderen Nation begründet wird, das ist der eigentliche Widerspruch, der diesen Krieg stets wieder aufs Neue verlängert.

Zuhören statt ausgrenzen
Béatrice Battaglia schlägt einen Bogen in die Schweiz. Sie stellt fest: «Die Tendenz, anderen ins Wort zu fallen, sie abzustempeln, nimmt zu. Egal, um welche Themen es geht, Klimakrise, Covid – es geht um die Basis eines demokratischen Umganges miteinander, den es zu bewahren gilt.» Und Viola Raheb ergänzt: «Wir dürfen nicht immer nur darauf schauen: Wer spricht den anderen das Existenzrecht ab? Und das dann als Vorwurf und Waffe gebrauchen. Wir müssen Stimmen suchen, die einander das Existenzrecht zugestehen. Und es geht darum, gerade diese Stimmen zu stärken. Denn aus dem Leben im Tod für alle gibt es nur einen Ausweg: Leben in Würde für alle.»
Vielleicht beten Christ*innen an diesem Tag weltweit auch für eine solche Zukunft. Was Hoffnung macht? Die Stimmen dafür in Israel und Palästina sind viel mutiger als die Stimmen in unserem wohlbehüteten Europa.

Klaus Gasperi, forumKirche, 14.02.2024
 

«Was ich sehe, berührt mich», schreibt Béatrice Battaglia.
Quelle: Béatrice Battaglia
The land is yours. Das Land ist für euch.
«Was ich sehe, berührt mich», schreibt Béatrice Battaglia. «Wird da
gemeinsam der Schlüssel zu einem friedlichen Miteinander hochgehalten?»

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