Vatikanisches Schreiben stösst auf Unverständnis

Am 20. Juli hat die vatikanische Kleruskongregation eine Instruktion zu Reformen in den Kirchgemeinden veröffentlicht. Diese überraschte vor allem die deutschen Bistümer und rief viel Kritik hervor, auch in der Schweiz. 

Das von Papst Franziskus gebilligte Schreiben schliesst «Laien» – also Theologinnen und Theologen, die keine Priester sind – von der Gemeindeleitung aus. Bestrebungen, die Pfarrleitung einem Team aus Priestern und Laien anzuvertrauen, widerspricht die Instruktion deutlich. Nichtgeweihte Seelsorger dürfen «auch nicht im Falle des Priestermangels» Titel oder Funktionen eines Pfarrers annehmen. Auch verbietet der Vatikan Nicht-Priestern, in Messfeiern zu predigen. Die Instruktion trifft vor allem deutsche Diözesen, die Modellprojekte gestartet haben, um neue Formen von Leitung, Seelsorge und Gemeinschaft auszuprobieren. 

Widersprüchliche Aussagen

In wichtigen Punkten hinke das Dokument weit der Entwicklung in vielen Ortskirchen hinterher, attestierte Paul Zulehner, emeritierter Professor für Pastoraltheologie in Wien: «So gesehen hat es einerseits zukunftsfähige Aspekte, ist aber andererseits eine Art pastoraltheologisches Museum.» Wie auch in der dogmatischen Konzilskonstitution über die Kirche (Lumen gentium) stünden widersprüchliche Aussagen unbekümmert nebeneinander: «Hier eine Priesterkirche, dort die Kirche als Gottesvolk. Die Instructio bietet das Schauspiel eines ekklesiologischen Eiertanzes.» Pastoral theologisch schmerze zudem der Satz, dass der Pfarrer der «grundlegende Bezugspunkt für die Pfarrgemeinde» sei. Zulehner: «So frei vom auferstandenen Christus die Pfarrgemeinde zu definieren ist ziemlich kühn.» 

Gräben vertieft

Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode kritisierte die neue Vatikan-Instruktion zu Reformen in Kirchengemeinden als «starke Bremse der Motivation und Wertschätzung der Dienste von Laien». Die neuen Leitungsmodelle im Bistum Osnabrück, wo an mehreren Orten Pfarrbeauftragte anstelle eines Pfarrers Gemeinden leiten, seien ganz im Rahmen des Kirchenrechts, betonte Bode. Die neue Instruktion lasse diesen Weg nur als vorübergehende «Notverordnung» zu. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx bemerkte in einem Gottesdienst: «Es ist schon etwas merkwürdig, wenn ein Dokument von Rom kommt, ohne dass jemals mit uns darüber gesprochen wurde. Ist das ein Miteinander von Universal- und Teilkirche, wie man sich das wünscht? Eigentlich nicht». Die Instruktion habe Misstrauen gesät und Gräben vertieft, was zu neuen Spaltungen und Spannungen führe, erklärte Marx. «So entsteht keine Frucht.» Um die Zeichen der Zeit im Lichte des Evangeliums zu lesen, brauche man zunächst die Sensibilität des Hörens. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, der selbst der Kleruskongregation angehört, fand dagegen lobende Worte für das neue Schreiben. 

Dank an Laien

In Schweizer Bistümern können im Unterschied zu Deutschland nicht geweihte Seelsorgerinnen und Seelsorger in Pfarreien der Gemeinde vorstehen. Sie erhalten dafür vom Ortsbischof eine ausdrückliche Beauftragung. Diese Praxis wird durch die Instruktion in Frage gestellt. Der Freiburger Professor für Pastoraltheologie, Salvatore Loiero, stellt fest, dass die Instruktion es «an wertschätzender Sensibilität für das seelsorgerliche Mühen und die Verdienste» der Frauen und Männer in den Gemeindeleitungen missen lässt. Er hebt zudem hervor, dass die Bischöfe nicht mehr umhinkommen werden, «amtstheologische Klärungen, wie die Zulassung zum Priesteramt (und zum Diakonat) herbeizuführen, die auch Einzug in das Kirchenrecht erhalten müssen.» 

Josef Annen, Delegierter des Apostolischen Administrators für Zürich und Glarus, reagierte als erster ranghoher Schweizer Kirchenvertreter auf das Schreiben. Er dankte ausdrücklich allen Laien in der Pfarreileitung. Ohne das «engagierte Wirken» von Pfarreibeauftragten wäre eine «ortsnahe Pastoral» nicht zu gewährleisten, denn nicht alle Priester hätten die Gabe zu leiten und zu führen, hält er in seinem auf www.zhkath.ch veröffentlichten Text fest. Eine Absage erteilt Annen Grosspfarreien: «XXL-Pfarreien», die weder dem Volk Gottes dienten noch zur Berufszufriedenheit der Pfarrer beitrügen, wären die Alternative zur «bewährten Zusammenarbeit von Priestern und Pfarreibeauftragten». 

kath.ch/Red., 4.8.20



Stellungnahme des Bistums Basel

Auch Bischof Felix Gmür hat sich Ende Juli in einem Schreiben mit dem Titel «Besonnen weitergehen» zu dem 34-seitigen Papier der Kleruskongregation geäussert und klar positioniert. Zwar gefalle dem Bischof, dass die Instruktion «den missionarischen Auftrag der Pfarrei unterstreicht», denn es sei gut, «uns selbstkritisch zu fragen, ob wir in unseren Pastoralräumen und Pfarreien wirklich den Glauben ins Spiel bringen», gibt er zu Bedenken. Des Weiteren streicht er positiv hervor, dass eine gute Zusammenarbeit zwischen den Pfarreien angestrebt werde, auch hier gäbe es Verbesserungspotenzial. Kritisch äussert sich der Bischof hingegen zu dem Punkt, dass die Pfarrei so stark auf den Pfarrer zentriert gesehen werde. Das entspreche «nicht unserer Wirklichkeit und ist obendrein theologisch defizitär und klerikalistisch verengt». Der grundlegende Bezugspunkt für die Pfarrgemeinde sei nicht der Pfarrer, sondern der gekreuzigte und auferstandene Jesus Christus, schreibt Felix Gmür. Er verweist auf das Pastoralschreiben Nr.12 der Schweizer Bischöfe «Beauftragte Laien im kirchlichen Dienst» und hält fest, dass «unsere Leitungsmodelle sowie die Berufs- und Amtsbezeichnungen weiterhin gelten». Vor allem rechtlich sei in der Instruktion keine Innovation zu erkennen, so dass der schale Eindruck bleibe, es gehe letztlich doch um die Vorrangstellung des Klerus. Das Papier zeige einmal mehr, «dass der Dialog zwischen den Bistümern und den römischen Dikasterien noch sehr mangelhaft ist» und die theologische Debatte über die Stellung und den Auftrag des Priesters nottut. Dazu gehöre auch die Klärung des kirchlichen Dienstamtes für Frauen und Männer. 

Red. forumKirche, 4.8.2020

Die ganze Stellungnahme finden Sie hier.

Die Instruktion der vatikanischen Kleruskongregation können Sie hier lesen.

Salvatore Loiero
Quelle: zVg
Salvatore Loiero ist Professor für Pastoral - theologie, Religionspädagogik und Homiletik an der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg.
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Josef Annen
Quelle: Christoph Wider, forum Zürich
Josef Annen dankt den Pfarreibeauftragten im Generalvikariat Zürich-Glarus für ihr Engagement.

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