Motivation einer Krippensammlerin

Erstaunlich, was für Gestaltungsmöglichkeiten es mit den fixen Figurengruppen der Weihnachtskrippe gibt. Zum einen spielen Materialien, Grösse, Mimik und Körpersprache eine Rolle, zum anderen prägen Epoche und Region das Ensemble. Die Geburtsszene Jesu mit ihrer frohen Botschaft ist allgemein verständlich und lässt uns am Geschehen teilhaben. Lydia Flachsmann aus Ossingen/ZH besitzt über 700 Krippen aus 70 Ländern.

Lydia Flachsmann-Baumgartner (72) stammt aus einer Emmentaler Bauernfamilie mit zwölf Kindern. Nach ihrer KV-Lehre und ihrem USA-Aufenthalt heiratete sie den Ossinger Bauern Hans Flachsmann, mit dem sie vier Töchter hat.

Emmentaler Erinnerungen

Die Weihnachtszeit im alten Berner Bauernhaus prägte Lydia. «Unsere Mutter», erzählt sie, «verstand es, uns Kindern Weihnachten und die Freude von Jesu Geburt ans Herz zu legen.» Das ganze Haus wurde mit Tannästen geschmückt und die Familie hat viele Butterguetzli gebacken. «Es lag so eine frohe Erwartung in der Luft», verrät die Bauerntochter, «etwas Mystisches war da.» Einmal erhielt Lydia als Geschenk eine Tafel Schokolade mit einem Bild der Heiligen Familie. «Dieses Glitzerbild hat einen Samen in mein Herz gelegt», gesteht die Emmentalerin. Später hat sie als Mutter diese besinnliche Weihnachtszeit auch ihren Töchtern weitergegeben. «Es sind Erinnerungen, die ein Leben lang bleiben.»

Frieden und Stärke

Die Tradition, eine Krippe an Weihnachten aufzustellen, kannte sie aus ihrem Elternhaus nicht. Es brauchte erst zwei Schlüsselerlebnisse, die ihre Liebe dafür weckte. Die jüngste Tochter Christa überraschte ihre Eltern mit einer selbstgemachten Weihnachtskrippe aus Ton. Aus Zeitmangel konnte sie keine Josefsfigur formen. «Der Esel war mir wichtiger als der Josef!», gesteht sie. Seitdem stellt ihre Mutter diese Krippe jede Weihnacht zu Hause auf.

Später besuchte Lydia mit den Landfrauen verschiedene Weihnachtsmärkte. Zuerst war es eine Weihnachtskrippe, in die sie sich verliebte. Nachher wurde die Krippe ein traditionelles Mitbringsel von jedem Markt. «Die Heilige Familie hat mich fasziniert», beschreibt Lydia Flachsmann. «Dieses Dreier-Gespann strahlt Frieden und Stärke aus.»

Freude schenken

Durch den Besuch eines Theologiekurses erkannte die Ossingerin: «Da wo wir sind, können wir auch wirken. Ich will die Frohe Botschaft von Jesus Christus an die Mitmenschen weitergeben, aber nicht aufdringlich. » Durch ihre Krippensammlung und deren regelmässigen Ausstellungen auf ihrem Gehöft kommt sie mit vielen Besuchern in Kontakt. «Ich kann vielen Mitmenschen etwas von der Weihnachtsfreude und dem Frieden weitergeben», erzählt die Sammlerin, «und ihnen Freude, Geborgenheit und Zeit schenken.» Mittlerweile besitzt Lydia über 700 Exemplare aus über 70 Ländern. Wenn sie bewusst Kraft tanken möchte, geht Lydia zu ihrer Krippensammlung. «Da fühle ich mich wie im Himmel», offenbart sie. «Da kommt so ein Trost heraus, da bin ich einfach glücklich.»

«Arme-Leute-Krippen»

Die Krippenkünstler, die meist unbekannt sind, können aus jedem erdenklichen Material eine Geburtsszene gestalten. Diese sogenannten «Arme-Leute-Krippen» bestehen aus einfachem Material des Lebensraums wie Holz, Papier, Ton, Pappmaché, Bambus, Gras, Maisblätter, Stroh, Metalle, Glas, Porzellan, Perlmutt, Muscheln, Stein, Cola-Dosen, Gips, Stoff, Wolle, Wachs, Plastik, Lava, Mineralien oder Haar. «Manche machen sogar aus Abfalltüten eine Krippe», weiss Lydia Flachsmann. Unter Sammlern gelten solche Krippen als wertvoll. «Es ist echte Handarbeit und keine Massenware», betont Lydia.

Mehr als ein Souvenir

Gerne stöbert die Bäuerin in den Brockenstuben. Angetan haben es ihr die vielen Miniatur-Krippen wie zum Beispiel in einer Nuss- oder Eierschale, Spanschachtel oder als Christbaum-Anhänger. Auch fremdländische Krippen, einst als Souvenir gekauft, werden dort immer wieder «entsorgt». Auch Lydia hat sich vom Krippensujet ausanderen Ländern faszinieren lassen. Anstatt etwas Exotisches aus den Ferien mitzubringen, liebt sie es, das traditionelle Krippenmotiv in einer exotischen Formensprache mit nach Hause zu nehmen. Auffällig bei den Exoten sind Trachten, Physiognomie, Farbigkeit und teils heimische Tiere: Anstelle einer Taube fliegt ein Papagei gen Himmel. Statt Schafe kann man Lamas entdecken. Die Geburtsszene kann sich in einer Strohhütte oder in einem Iglu abspielen. Ein Jesuskind liegt nach indianischem Brauch in einer geschnürten Babytrage mit Perlen bestickt. Maria und Josef können auch mal Kimonos tragen. Afrikanische Figuren zeigen überlange Hälse. Ein Ensemble versteckt sich in einer russischen Babuschka. «Ich recherchiere viel im Internet über Krippen aus verschiedenen Ländern und Kulturen», erzählt die Krippensammlerin. «Auch suche ich dort nach speziellen Krippen.»

Wertvolles Kulturgut

Oft fragen Krippenbesitzer, die ins Alters- oder Pflegeheim gehen, ob Lydia Flachsmann ihre liebgewordene Krippe übernehmen möchte. Sie bedauert es, dass die jüngere Generation mit Weihnachtskrippen nichts mehr anfangen kann. «Krippen sind ein wertvolles Kulturgut, dass zum Teil verloren ginge, wenn ich nicht sammeln würde.» Bestätigt fühlt sich Lydia Flachsmann von einem Ausstellungsbesucher. Er entdeckte bei ihr eine Krippe, die sie in einer Brockenstube gekauft hatte. «Genau mit dieser Krippe habe ich als Kind gespielt», strahlte der in Baden aufgewachsene Mann. «Aber es ist das falsche Christkind!» Nachdem sie es fand, kamen dem Mann die Tränen. Die Sammlerin betont, dass sie das Sammeln nicht zu ihren Ehren, sondern zu Ehren Gottes mache.

Alle Jahre wieder

Die Weihnachtszeit ist für Lydia Flachsmann etwas Besonderes. Für sie ist es selbstverständlich, in der Adventszeit viele Christstollen und Weihnachtsguetzli zu backen und teils zu verschenken. Nach Möglichkeit besucht die Sammlerin jedes Jahr einen Weihnachtsmarkt. Wenn nicht gerade eine Ausstellung ansteht, stellt die Bauersfrau viele Krippen im ganzen Haus auf. Als ihre Töchter klein waren, durften sie jeden Tag ein Tier zur Krippe und kurz vor Weihnachten auch die Hirten hinstellen. Erst am Heiligabend kamen Maria, Josef und das Jesuskind zur Krippenszene dazu.

Judith Keller (17.12.19)


Das Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen, zeigt noch bis 13. Januar 2020 Krippen aus Lydia Flachsmanns Sammlung. Nähere Infos auf www.allerheiligen.ch 


 

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Krippensammlerin Lydia Flachsmann mit Kurator Daniel Grütter im Museum zu Allerheiligen.

 
 
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Krippe aus Südafrika, Blechdosen, Sammlung Lydia Flachsmann

 
 
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Krippe aus Peru, Ton, bemalt, Sammlung Lydia Flachsmann.



Bilder: Judith Keller

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