Wie sich das Alter kreativ gestalten lässt

Der Rückzug aus der Arbeitswelt muss nicht Stillstand bedeuten. Viele Senior*innen erfinden das Leben mit viel Fantasie nochmals neu.

Die Schauspielerin Mae West sagte, Älterwerden sei nichts für Feiglinge. Das ist die eine Seite. Die andere: Wir haben in den letzten 150 Jahren 30 Jahre an Lebenserwartung dazugewonnen. «Nie gab es in unseren Gesellschaften so viele Leute, die so gut alt werden konnten. Darauf sollten wir stolz sein», sagt der Altersforscher Peter Gross, emeritierter Professor der Universität St. Gallen. Trotz Problemen wie Altersarmut, gesundheitlichen Einschränkungen, Einsamkeit oder fehlender guter Pflege. Emma* ist 87 Jahre alt. Sie mache eigentlich noch das Gleiche wie früher, «aber ich mache es jetzt anders und mit anderen Leuten». Sie habe immer gern gestrickt, früher mit günstiger Wolle; nun bunte Mützen, Strümpfe, Pullover und Schals in einer Strick-Gruppe mit jungen Leuten, «sogar Männern!». Dabei wird gelacht und erzählt, schwärmt sie. In der Corona-Zeit «zeige ich am Bildschirm, wie es geht». Aline Auer (71) hat sich nach der Pensionierung um ihren Garten gekümmert. Die Juristin «wollte ihn bunter und bienenfreundlicher gestalten». Er liegt an einem Spazierweg, so kommt sie ungezwungen in Kontakt mit Wandernden und Nachbar*innen. Dazu begann sie «themenbestimmt» zu reisen, etwa «interreligiös durch Georgien, Armenien und den Iran.» Weiter engagiert sie sich bei der Unabhängigen Beschwerdestelle für das Alter und in der Kirchenvorsteherschaft. Dazu teilt sie mit anderen das Engagement für Enkelkinder.

Neues dazulernen

Oft machen im Alter Männer und Frauen den Schulabschluss nach und nehmen an Kursen teil. Sie können Hobbys (wieder)entdecken, Interessen nachgehen: Etwa abends Dokumentationen im Fern - sehen anschauen, weil man nicht mehr früh aufstehen muss. Oder auch tagsüber Bücher «ohne schlechtes Gewissen lesen». Gelobt werden Seniorentarife bei Museums- Eintritten, im öffentlichen Verkehr etc., die vieles leichter machen. Maria*, Musikerin, wollte immer Musikwissenschaft studieren. Dies war wegen schwerer Erkrankungen in der Familie unmöglich. Vor vier Jahren entdeckte die heute 70-Jährige in der Schweizerischen Musikzeitung den Weiterbildungslehrgang «Music Research» (Musikforschung). Sie wurde an der Luzerner Hochschule für Musik gut aufgenommen, «sowohl durch die Schulleitung als auch durch die Mitstudierenden ». Das Lernen sei etwas schwieriger, «und ich vergesse auch mehr. Dafür habe ich Erfahrung und kann Querverbindungen herstellen.» 
Mein eigener Vater erfüllte sich sofort nach der Pensionierung seinen Wunsch: Ein Studium als Gasthörer. Er schätzte den Kontakt mit den jungen Studierenden und diskutierte gern über seine neuen Erkenntnisse. Dies ermöglichte auch ihm und mir eine neue Ebene der Begegnung. 

Für andere da sein

Das Projekt «Generationen im Klassenzimmer» von Pro Senectute bietet Begegnungen im Schulalltag. Zwei bis vier Stunden pro Woche besuchen Senior*innen jeweils eine Schul- oder Kindergarten - klasse. Andere ältere Menschen werden «Leihgrosseltern» oder engagieren sich in der Aufgaben- und Flüchtlingshilfe und beim Roten Kreuz. Auch die Kirchen bieten ein breites Spektrum! Im Alter sind viele Menschen unabhängiger von der Meinung anderer. Das erleichtert neue Unternehmungen: So fördert die Stiftung Kreatives Alter in der Schweiz via Wettbewerb kulturelle Projekte von Personen über 70 Jahren in den Sparten Jazz, Klassik, Kleinkunst, Literatur, Rock/Pop/ Chanson, Tanz, Theater und World Music. Es werden zehn bis zwölf Preise à 10’000 Franken und 20 Anerkennungsurkunden vergeben (www.stiftung-kreatives-alter.ch).

Im Ausland

Manche möchten weiter weg: Eine Möglichkeit ist der Einsatz als AuPair 50+ im Ausland (www.aupair50plus.com). Man lebt in einer Familie, betreut Kinder, arbeitet im Haushalt mit und erweitert die Sprach- und Kulturkenntnisse. In Frage kommen auch Non-Profit-Organisation: ICYE (www.icye.ch) arbeitet seit mehr als 60 Jahren in sozialen oder ökologischen Projekten weltweit. Für den Freiwilligeneinsatz wird man sorgfältig vorbereitet und vor Ort betreut. Dies gilt auch für Rainbow Garden Village (www.rainbowgardenvillage.com) mit Einsätzen in Europa, Afrika, Asien und Südamerika. Teilnahmebedingungen sind körperliche Fitness, Motivation, Englischkenntnisse, ein polizeiliches Führungszeugnis sowie eine gültige Auslandskrankenversicherung. Wer im Alter aber definitiv auswandern will, sollte sich vorweg gut informieren über Aufenthalts- Bedingungen und Versicherungsfragen! Damit der Traum sich nicht als Albtraum entpuppt.

Christiane Faschon, forumKirche, 13.4.21
 

Manch eine*r entdeckt im Alter noch eine besondere Neigung wie das Tanzen.
Quelle: ArtTower/pixabay.com
Manch eine*r entdeckt im Alter noch eine besondere Neigung wie das Tanzen.

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