Im Altersheim Weihnachten feiern

Heiligabend im Kreis der Familie oder zusammen mit Freunden – das ist vielen vertraut. Doch wie feiern Menschen in einem Altersheim dieses Fest? Und welchen Stellenwert hat die Advents- und Weihnachtszeit in ihrem Alltag? Im Alterszentrum Sunnewies in Tobel gibt man dazu gerne Auskunft. Verantwortliche und Bewohnerinnen erzählen, wie sie diese geprägte Zeit dort erleben.

Das Alterszentrum Sunnewies, dessen Träger die katholische Kirchgemeinde Tobel ist, beherbergt etwa 70 Menschen auf vier Pflegestationen und bietet in 13 Mietwohnungen «Betreutes Wohnen» an. «Die offizielle Weihnachtsfeier findet hier jedes Jahr am 22. Dezember statt», erzählt die Leiterin Heidi Bötschi. Sie besteht aus einer gottesdienstlichen Feier, bei der der evangelische und der katholische Pfarrer das Weihnachtsevangelium und eine weihnachtliche Geschichte vortragen, und einem anschliessenden Essen mit gemütlichem Beisammensein. Die Bewohnerinnen und Bewohner, die dazu je zwei Angehörige einladen können, geniessen die Feier. «Sie sind aber auch froh, wenn sie wieder auf ihr Zimmer gehen können. Sie sind so ein Fest mit einem Vier-Gänge-Menü nicht mehr gewohnt», sagt Heidi Bötschi. Auf den beiden Stationen, auf denen Menschen mit Demenz betreut werden, finden zur gleichen Zeit eigene, auf diese Personengruppe abgestimmte Weihnachtsfeiern statt.

Am Heiligen Abend selbst treffen sich die Bewohner mit ihrer Wohngruppe, um miteinander Weihnachtslieder zu singen und Guetzli zu essen. Manche werden zu einer Feier mit der Familie abgeholt, andere verbringen den Heiligen Abend im Haus. «Die Weihnachtszeit ist für manche unserer Bewohner sehr emotional. Sie denken an liebe Menschen, die sie vermissen. Der Verlust wird in dieser Zeit stärker empfunden», sagt Heidi Bötschi.

Altes und Neues

Traditionen sind für die Menschen hier besonders wichtig. Deshalb werden sie auch gut gepflegt: die Kerzen am Adventskranz, der Samichlaus, das Singen von Liedern, das Adventskonzert, das Backen nach alten Rezepten… Es gibt hier sogar eine Art Adventskalender. «Unsere Mitarbeiterinnen hängen jeden Abend ein Säckli mit kleinen Überraschungen aussen an die Zimmertüren», erzählt die Heimleiterin – und mit einem Schmunzeln: «Manche Bewohner warten schon gespannt darauf.»

Aber auch der Kontakt mit dem «Leben draussen» soll nicht zu kurz kommen. Jedes Jahr wird ein abendlicher Ausflug in eine Stadt der Umgebung angeboten, um das weihnachtliche Treiben dort mit seinen Lichtern, Gerüchen und der besonderen Stimmung mitzuerleben.

Erinnerungen

Im Werkraum hat sich eine Gruppe von Frauen zusammengefunden, die miteinander kleine Sterne bastelt. Beim Stichwort «Weihnachten» gehen die Gedanken zurück in die Vergangenheit. «Früher ging es mehr um das Fest selber, heute geht es eher um die Päckli», meint eine Frau. «Ja, wir mussten jedes Mal den Christbaum bestaunen, wenn wir in die Stube kamen», pflichtet ihr eine andere bei. Man habe eher an das Christkind geglaubt, ergänzt eine dritte. Früher sei auch die Adventszeit ruhiger gewesen, heute sei alles beleuchtet wie an der Fasnacht, kommt es von der anderen Seite. «Die Geschenke sind eher schmal ausgefallen. Es gab das, was man brauchte, einen Pullover zum Beispiel.» Da erinnert sich eine in der Runde, wie sie von ihrem erwachsenen Bruder eine neue Puppe geschenkt bekam – «eine mit Glasaugen und Lockenkopf. Das war wunderbar.» Es wird kurz still am Tisch. «Ich freue mich heute noch aufs Päckli-Auspacken», gesteht eine Frau, die bisher geschwiegen hat, «ich bin neugierig wie ein Kind.»

Nicht mehr jedes Fest

Einig sind sich alle, dass Weihnachten heute mit «viel mehr Rummel» verbunden ist. Deshalb schätzen sie die grosse Weihnachtsfeier im Alterszentrum, weil da alles «langsamer und ruhiger zugeht». Die meisten von ihnen feiern am 24. Dezember aber auch im Kreis ihrer Kinder, Enkel und zum Teil auch Urenkel. «Ich wäre traurig, wenn ich am Heiligabend alleine wäre», gesteht eine der Frauen. Eine andere erzählt, dass ihr Sohn vor drei Jahren gestorben sei. Mit ihrer Tochter und Schwiegertochter feiere sie dennoch schöne Weihnachten. Auch die übrigen berichten bewegt vom Heiligen Abend im Kreis ihrer Liebsten. Aber zu lang darf das Fest nicht gehen. «Ich bin die vielen Eindrücke nicht mehr gewohnt. Das vertrag ich nicht mehr», meint eine Frau. Eine andere bringt das Gespräch auf den Punkt: «Man gehört gern einmal eine Weile dazu.» Eine Gesprächsteilnehmerin erinnert sich daran, wie ihr früher beim Gedanke an das Altersheim die Frage kam: «Wie wird es sein, wenn du nicht mehr bei jedem Fest deiner Familie dabei sein kannst?» Heute sei ihr klar: «Du musst nicht immer dabei sein, du brauchst das nicht mehr, du hast genug Leute um dich herum.»

Gesundheit und Frieden

Im weiteren Verlauf des Gesprächs wird klar, dass im Haus noch weitere Aktivitäten geplant sind. Am 18. Dezember findet für die Mitglieder der Werkgruppe die «Bastelwiehnacht» statt. «Das ist ein Dankeschön für alle, die das ganze Jahr über Dinge für unseren Basar hergestellt haben», erklärt Denise Schmid, die Leiterin des Bereichs Aktivierung. Auch die Kochgruppe trifft sich noch zu einer kleinen Feier. Dort gibt es nicht nur gutes Essen, sondern auch einen besonders schön gedeckten Tisch.

Im Blick auf das bevorstehende Fest haben die anwesenden Frauen für sich keine aussergewöhnlichen Wünsche mehr. Sie wollen gesund und möglichst lange selbstständig bleiben. Frieden soll es geben, in ihren Familien und auf der ganzen Welt. Es soll allen ein bisschen besser gehen, vor allem den vielen armen Menschen. Eine Frau, der es nicht so gut geht, hat Tränen in den Augen. Sie würde sich auch gern Gesundheit wünschen. Doch mit ihrer Sorge ist sie in diesem Kreis gut aufgehoben. «Zusammen sind wir enorm stark», bringt es Denise Schmid ins Wort.

Detlef Kissner

Ein Teil der Werkgruppe zusammen mit Denise Schmid (3. v. l.)

Bild: Detlef Kissner

Weihnachtsbaum vom Sunnewies

Bild: Ursi Vetter

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