Vortrag über die strukturellen Unterschiede in der Schweiz

Die Schweizer Kirchenlandschaft gestaltet sich mit ihren kantonal unterschiedlichen kirchen- und staatskirchenrechtlichen Strukturen sowie ihren auf Vereinsbasis funktionierenden Frei- und Migrationskirchen recht vielseitig. Der 2. Vortragsabend im Rahmen des 150-Jahr-Jubiläums will aufzeigen, wie sich die differenten Verhältnisse von Kirche und Staat entwickelten und welche Herausforderungen sich dadurch zeigen, in Bezug auf die heutige Rolle der Kirche in Politik und Gesellschaft.

Im Thurgau gibt der Staat den Kirchen nur einen groben organisatorischen Rahmen vor, und gewährt innerhalb dieses Rahmens Steuerprivilegien. Diese sind an die Verpflichtung zu einer demokratischen und rechtsstaatlichen Grundstruktur gebunden: Gleichberechtigung, Gewaltenteilung und transparente Finanzen. Neben dem Steuerprivileg sind weitere wichtige Rechte dasjenige des Religionsunterrichts an der öffentlichen Schule oder die Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen in verschiedenen Bereichen. «Der Thurgau war einer der frühen Kantone mit einer weitgehenden Entflechtung von staatlicher und kirchlicher Zuständigkeit, während sich diese Entwicklung in vielen anderen Kantonen erst im Laufe des 20. Jahrhunderts und dazu noch recht unterschiedlich vollzogen hat», erklärt der Referent des Vortragsabends, Urs Brosi, Generalsekretär der katholischen Landeskirche Thurgau.

Kantonale Vielfalt

Historisch gesehen hätten die meisten Kantone bis weit ins 20. Jh. noch einer bestimmten Konfession nahegestanden, da sie sich im 16. Jahrhundert entscheiden mussten, ob sie der Reformation beitreten wollten oder nicht. «Diese Entscheidung war für alle Bewohner verbindlich. Andernfalls musste man als Einzelperson emigrieren. Später, im neugegründeten Bundesstaat war in den Paritätskantonen Thurgau, St. Gallen und Aargau viel schneller das Bewusstsein vorhanden, dass man sich als Staat in religiösen Angelegenheiten zurücknehmen muss und sich nicht direkt mit einer Konfession identifizieren kann», führt Urs Brosi aus. Aufgrund der Historie zeige sich die Situation in den einzelnen Kantonen auch heute noch pluriform. So herrscht in Genf und Neuenburg die vollständige Trennung von Kirche und Staat. In den drei Kantonen Wallis, Waadt und Tessin sind die beiden Kirchen zwar von Gesetzes wegen öffentlich-rechtlich anerkannt, jedoch werden die kirchlichen Aufgaben entweder durch die politische Gemeinde, den Kanton oder ein Spendensystem finanziert. Alle anderen Kantone kennen eine Kirchensteuer für Kirchgemeinden. Doch längst nicht alle Kantone haben eine Landeskirche, in einigen besteht für kantonale Auf gaben ein Verband von Kirchgemeinden.

Chancen für die Zukunft

Die Religionsgemeinschaften in der Schweiz stehen vor der Herausforderung, wie man Minoritätsreligionsgemeinschaften einen adäquaten Stand innerhalb der staatlichen Rechtsordnung gewähren kann und wie die gesellschaftliche Leistung und Wertebildung von bestehenden sowie neuen Religionsgemeinschaften zu beurteilen und staatlich zu würdigen ist. Unter dieser Prämisse sei eine Auslegeordnung interessant. So könne man sehen, welche Lösungsansätze andere Kantone, in denen die Entflechtung erst in jüngerer Zeit passiert ist, hinsichtlich dieser Aufgaben schon entwickelt haben, so Urs Brosi.

Sarah Stutte (18.2.20)


Informationen zum Vortrag:

  • Datum: 5. März 2020
  • Zeit: 20 Uhr
  • Ort: Berufsbildungszentrum BBZ Weinfelden

     


 

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Urs Brosi, Generalsekretär der katholischen Landeskirche Thurgau

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