Wie von Panikattacken Betroffene ihren Weg finden

Angst- und Panikattacken gehören für viele Menschen zum Alltag, bleiben aber oft unsichtbar. Gehören zu den psychischen Belastungen, über die nur wenige sprechen. Zwei Menschen erzählen Kirche ohne Grenzen, wie sich ihr Leben durch plötzliche Attacken verändert hat : nicht nur körperlich, sondern im ganzen Sein. Sie schildern, wie der Glaube sie trägt – und wo er in den schlimmsten Momenten an seine Grenzen stösst.

« Ich kannte Angst schon als Kind », erzählt Herr Fischer* (32). « Aber als die Depres­sion kam, wurde sie extremer. » Für ihn bekommt Angst in bestimmten Lebens­phasen eine Wucht, die kaum vorhersehbar ist. Frau Sonntag* (67) beschreibt den Moment einer Attacke als brutalen Kontroll­verlust : « Es ist, als würde die Luft abgestellt. Das Herz rast. Man bekommt einen Tunnelblick – man sieht nur noch eine Gefahr. Absolute Macht­losigkeit. » In solchen Situationen, betonen beide, verliere der Körper jede Selbstverständlichkeit : Atmen, Denken, Sich-Orientieren. Für sie sei das mehr als nur ein Schreck – es sei ein existenzielles Eingeschlossensein, eine Welt, die sich auf einen einzigen Gedanken verdichtet : Ich komme hier nicht raus. Was für Aussen­stehende nach wenigen Minuten aussehen mag, fühlt sich für Betroffene an wie ein zeitloser Zustand.

Wo Glaube an Grenzen kommt
Solche Erfahrungen bleiben oft unsicht­bar – im Alltag, in Gesprächen, auch in der Kirche. « Nur wenige wissen davon », sagt Frau Sonntag. Dann aber spricht sie davon, wie wichtig es war, dass Menschen da waren, die nicht urteilen, sondern zuhören. Manche sagten : « Melde dich, wenn du wieder eine Attacke hast. » Andere wiederum waren weniger einfühlsam : « Wenn dein Glaube stärker wäre, hättest du das nicht. » Solche Sätze würden mehr Schaden anrichten als lindern – sie würden komplexes Leiden auf ein religiöses Defizit reduzieren, statt die Person zu stärken. Es brauche weniger gute Ratschläge, dafür mehr echtes Mittragen. Der Glaube sei für beide kein schneller Ausweg. Für Frau Sonntag ist er ein ruhender Grundton – schon da, bevor die Angst kommt –, und für Herrn Fischer ein Nachhall, der erst wirkt, wenn die Attacke abklingt. Besonders wichtig sind für beide Gebete, die man auswendig kenne : das Vaterunser Wort für Wort, das Credo, ein meditativer, wieder­holender Herzruf : « Jesus, Retter der Welt, erbarme dich meiner. » Durch die Wieder­holung entsteht Ruhe, ein kleiner Raum, in die zu schnelle Angst nicht sofort eindringen könne.

Ein Gott, der näher rückt
Angst zu haben, heisst nicht, den Glauben zu verlieren. Vielmehr würde sich zeigen : Glaube, der trägt, sei nicht immer laut. Aber er sei da. Und manchmal sei das genug. Im Gespräch zeigt sich etwas Wichtiges : Glaube wirkt nicht überall gleich. Für die eine ist er der Boden, der nicht wegbricht – gerade, weil er nicht erst in der Panik aktiviert wird. « Ich glaube daran, dass Hilfe da ist, auch wenn ich sie im Moment kaum spüre. » Für den anderen ist der Glaube während einer Attacke kaum greifbar. « Da nützt er mir nicht. Aber davor und danach – da hilft er mir, wieder Boden unter den Füssen zu finden. » Glaube ist hier ein Nachklang, das, was wieder leise einsetzt, wenn der Körper langsam zur Ruhe kommt. Beide berichten, dass Angst- und Panik­attacken ihren Glauben verändert haben. In seiner Intensität. Er sei dichter geworden, unmittelbarer. « Seither bete ich anders », sagt Frau Sonntag. « Ich sitze in der Kirche und sage : ‹Gott, ich weiss, dass du da bist, auch wenn es schwer ist. Ich bin nicht allein.›» In dieser Haltung liege keine Romantisierung, sondern eine schlichte Beharrlichkeit : ein Bleiben, das nicht von Gefühlen abhänge. 

Was Angst lehren kann
Aus ihren Erfahrungen ziehen beide eine ähnliche Schlussfolgerung : Angst und Panik­attacken verschwinden nicht einfach, doch kann man lernen, mit ihnen umzugehen. Der Glaube verändere sich dabei eher in seiner Tiefe als in seiner Form. Er werde nicht automatisch stärker, aber bewusster. Und er könne eine Perspek­tive eröffnen, die die Angst nicht verneint, sondern ermöglicht, sie ein­zu­ordnen und Schritte über sie hinaus zu wagen. 

*Namen geändert

Romina Monferrini, 8.12.2025


Dio nel tunnel della paura

Come la fede accompagna chi vive attacchi di panico

Gli attacchi di panico riguardano molte persone, ma rimangono spesso invisibili. Due testimonianze mostrano come cambino il quotidiano e il rapporto con la fede – tra sollievo, limiti e nuove forme di fiducia.

Herr Fischer* (32) convive con la paura fin dall'infanzia, intensificata più tardi dalla depressione. Frau Sonntag* (67) descrive un attacco come un improvviso collasso del corpo: il respiro si blocca, il cuore accelera, la vista si restringe. Ciò che dall'esterno sembra un episodio breve diventa per chi lo vive uno spazio senza tempo, dominato dal pensiero: non riesco a uscirne. Molte di queste esperienze rimangono taciute, anche in contesti in cui mancherebbero ascolto e sostegno.

Le reazioni variano: ascolto e presenza da un lato, giudizi semplificati dall'altro, come l'idea che una fede «più forte» eviterebbe la paura. Un'interpretazione che, secondo entrambi, non aiuta e ignora la complessità del vissuto. Più significativo è chi resta presente senza pretendere di spiegare tutto.

La fede assume forme diverse. Per Frau Sonntag è un fondamento stabile, percepito soprattutto nei momenti difficili. Per Herr Fischer diventa significativo prima o dopo un attacco, quando la tensione cala. Preghiere memorizzate – Padre Nostro, Credo, brevi invocazioni – offrono ritmo, continuità e un punto fermo nelle fasi più critiche.

La paura non sparisce, ma si può imparare a conviverci. La fede non elimina l'attacco, ma aiuta a interpretarlo e a ritrovare equilibrio, passo dopo passo, anche quando le emozioni restano intense.

Hände halten ein Buch, daneben eine Klangschale
Quelle: Romina Monferrini
Eingeübte und lieb gewonnene Rituale helfen Herrn Fischer, wenn die Angst oder Panik aufkommt.

 

Brennende Kerze in einem Glas
Quelle: Romina Monferrini
« Wenn es besonders schlimm ist und ich mich ausgeliefert fühle, hilft es oft, eine Kerze brennen zu lassen », sagt Frau Sonntag.

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