Martin Brunner-Artho, Direktor Missio, im Interview

Papst Franziskus hat den diesjährigen Oktober zum ausserordentlichen Monat der Weltmission ausgerufen. Weshalb es diesen Monat braucht und wie der Begriff Mission heute verstanden werden kann, erläutert Martin Brunner-Artho, Direktor des päpstlichen Missionswerks Missio*.

Wozu braucht es einen ausserordentlichen Monat der Weltmission?

Papst Franziskus will die Kirche zu ihrem Kerngeschäft zurückholen. Die Kirche muss von Gott erzählen, das ist ihre Mission. Das bedeutet: Geh hinaus und erzähle von Gott, von dem, was du mit Jesus Christus erlebt hast, wo du Begegnungen mit dem Göttlichen hattest. Wo du das Gefühl hattest, etwas berührt zu haben, was tiefer ist als alles Sichtbare. Das ist der Aufruf des Weltmissionsmonats: Kirche, geh zurück zu deiner Mission. Eine Kirche, die nicht von Gott erzählt, erfüllt ihren Auftrag nicht. Sie hat einen Auftrag, der von Jesus Christus, von Gott selber kommt.

«Getauft und gesandt» lautet das Motto des Weltmissionsmonats. Bin ich als Getaufte also immer auch Missionarin?

Die biblischen Aussendungstexte gehen primär an die Apostel. Diese identifizieren wir oft mit den Leitern der Kirche, also mit den Bischöfen, die sich ja auch als Nachfolger der Apostel sehen. Auf diese Weise delegieren wir übrigen Getauften diesen Sendungsauftrag. Jeder und jede Getaufte hat aber tatsächlich eine Mission. Papst Franziskus geht in seiner Botschaft noch weiter, indem er sagt: «Du hast nicht nur eine Mission, du bist eine Mission.»

Was bedeutet das, Mission zu sein?

Was wir tun, erzählt von Jesus Christus. Das Leben jedes und jeder Getauften erzählt von der Liebe Gottes, oder eben nicht. Wir sind als Getaufte tatsächlich Missionare wider Willen, oder zumindest unbewusste Missionare. Die meisten von uns kennen Menschen, die uns in unserer Glaubensbiografie geprägt haben, ohne dass ihnen das bewusst war. So sind wir in dem, was wir tun, missionarisch unterwegs.

Aber es geht auch explizit darum, von Gott zu sprechen.

Wenn ich einen Boden finde, der meinem Leben Halt, Richtung und Sinn gibt, dann muss ich das mitteilen. Nicht in dem Sinne, dass mein Gegenüber katholisch werden soll. Vielmehr in dem Sinn, wie es die französischen Bischöfe formuliert haben: «Proposer la foi» – den Glauben vorschlagen.

Ist der Aufruf zur Mission auch eine Reaktion auf die sinkenden Kirchenmitgliederzahlen in Europa?

Nein. Papst Franziskus sagte 2013 in einer Videobotschaft: «Gehst du, um jemanden davon zu überzeugen, katholisch zu werden? Nein, nein, nein! Gehe, um ihm zu begegnen, er ist dein Bruder! Das allein genügt. Und wenn du ihm begegnest, dann macht Jesus den Rest, dann macht der Heilige Geist den Rest.» Damit spricht sich der Papst gegen Proselytismus (das Abwerben Andersgläubiger, Anm. d. Red.) aus. Er sagt vielmehr, Mission sei ein Dialog. Das bedeutet, dass wir aufeinander zugehen sollen, mit unserem Bruder, unserer Schwester in Kontakt treten und eine Atmosphäre schaffen, die so offen ist, dass Gott wirken kann. Die offen ist für die Transzendenz. Der eigentliche Missionar sind also nicht wir, sondern ist Jesus Christus. Ich kann nicht jemanden bekehren.

Aber wenn mein Gegenüber nicht an die Existenz Gottes oder einer Transzendenz glaubt?

Ich brauche niemanden zu überzeugen. Aber ich darf jemandem erzählen von etwas, wovon ich überzeugt bin, dass es etwas Gutes ist. Das ist die Aufgabe der Kirche. Wenn ich auf den anderen als Bruder oder Schwester zugehe, impliziert das auch den Respekt vor ihm.

Auch vor seinem Atheismus?

Das ist die Herausforderung. In meinem Gegenüber begegne ich Christus. Also muss ich dort aufhören, wo seine Würde beginnt. Es geht nicht darum, ihn zu vereinnahmen. Vielleicht braucht es auch den richtigen Moment für solche Gespräche, sie sind oft ein Geschenk. Manchmal geschehen sie an Orten, wo man es nicht erwartet. Wir können das nicht immer steuern.

Interview: Sylvia Stam, kath.ch/Red. (1.10.19)


* Missio ist eines der 116 nationalen päpstlichen Missionswerke weltweit. Das Hilfswerk unterstützt die von der Schweizer Bischofskonferenz eingesetzte Arbeitsgruppe zum Weltmissionsmonat.


Ausserordentlicher Monat der Weltmission

Anlass für den Weltmissionsmonat mit dem Motto «Getauft und gesandt: Die Kirche Christi missionarisch in der Welt» ist der hundertste Jahrestag des Apostolischen Schreibens «Maximum Illud» von Papst Benedikt XV. Franziskus geht es darum, «das Bewusstsein der missio ad gentes (Sendung in die Welt) wieder stärker wachzurufen und mit neuem Schwung die missionarische Umgestaltung des Lebens und der Seelsorge wiederaufzunehmen». In der Schweiz ist der Weltmissionsmonat von drei Eckpunkten geprägt: Er begann mit einer Eröffnungsfeier am 1. Oktober, an der erstmals das Taufsteintuch mit dem Motto entrollt wurde. Ein solches soll im Oktober in vielen Kirchen möglichst beim Taufstein aufgehängt werden, um so Diskussionen zum Thema Taufe und Sendung auszulösen. Ein zweiter Eckpunkt ist der Weltmissionssonntag vom 20. Oktober. An diesem Sonntag sind die Pfarreien aufgerufen, das Thema im Gottesdienst aufzugreifen. Schliesslich soll der Weltmissionsmonat am 31. Oktober in den Pfarreien mit einer Sendungsfeier offiziell beendet werden.

Über diese Eckpunkte hinaus sind Gläubige eingeladen, sich mit der eigenen Sendung auseinanderzusetzen. Als Anregung dazu stellt Missio diverse Materialien bereit, darunter eine Postkarte. Hier werden die Getauften aufgefordert festzuhalten, was ihre je eigene Mission ist. Wer mit sozialen Medien vertraut ist, kann seine Mission auf einem Blatt Papier notieren, ein Foto oder Video von sich selbst machen und dieses mit den Hashtags #MeineMission oder #MyMission auf Facebook posten.

Auf der Website zum Weltmissionsmonat in der Schweiz: www.getauftundgesandt.ch, werden die einzelnen regionalen Anlässe zum Weltmissionsmonat gesammelt.

Sylvia Stam, kath.ch/Red. 


 Ausserordentlicher Monat der Weltmission - Gottesdienste Bistum Basel

http://www.bistum-basel.ch/Htdocs/Files/v/10741.pdf/Agenda/tag-zum-missionsmonat-2019-10-19.pdf


 

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Papst Franziskus mit dem Taufsteintuch, das ihm die Missio Nationaldirektoren präsentieren.

Bild: © Missio

 
 
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Martin Brunner-Artho, Direktor des päpstlichen Missionswerks Missio, mit seiner persönlichen Mission.

Bild: © Missio, Bernet

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