Im Einsatz für Kinder und Jugendliche in Westafrika

Nachdem Margrit Keller (62) ihre Weiterbildung in internationaler Zusammenarbeit und globaler Gesundheit beendet hatte, packte sie ihre Koffer und verbrachte drei Monate an einem Ort, an dem Mut, Offenheit, Empathie und Abenteuerlust gefragt waren. Kirche ohne Grenzen hat sie nach ihrem Sozialeinsatz in Sierra Leone für ein Interview getroffen und nach ihren Erfahrungen gefragt. 

Sie waren in der Nähe der westafrikanischen Hauptstadt Freetown in einem Projekt für Strassenkinder, missbrauchte Kinder und Jugendliche mit dem Namen «Fambul» im Einsatz. Wie müssen wir uns diesen Ort vorstellen?
«Fambul» bedeutet Zuhause. Dieses befindet sich auf einem riesigen Gelände, das die Gemeinschaft der Salesianer, die auf den Priester Don Giovanni Bosco zurückgehen, vor einigen Jahren gekauft hat. Es liegt etwa eine Autostunde ausserhalb der Hauptstadt Freetown in einem ländlicheren Gebiet. Darauf befinden sich vier Wohnhäuser, ein Therapiezentrum, eine Schule, Ausbildungsstätten und eine kleine Klinik. Aktuell wird ein Haus für Volontäre gebaut. Beschützt wird dieser Ort durch die Securitas. Die Kinder und Jugendlichen, die im «Fambul» leben, haben unterschiedliche Schicksale: Manche sind verwaist oder wurden von den Eltern verkauft, sie erlebten Gewalt, Prostitution oder Vergewaltigungen. Einige der vergewaltigten Mädchen und Jugendlichen waren mit ihren Kleinkindern im «Fambul». Entweder werden die Kinder und Jugendlichen von den Sozialämtern ins «Fambul» gebracht oder sie werden von Sozialarbeitern auf den Strassen von Freetown auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht und melden sich über das Gratistelefon «Childline». 

Welche Aufgaben gehörten zu Ihrem Einsatz und wie muss man sich die Arbeit mit und für misshandelte Strassenkinder konkret vorstellen?
Meine Aufgaben musste ich mir selbst suchen. Das war zuerst eine meiner grössten Herausforderungen. Doch mit der Zeit lernte ich die Kinder und Jugendlichen kennen und entdeckte für mich mögliche Einsatzgebiete. So habe ich die Vorschulkinder mitbetreut, gab Nachhilfe in Mathematik und Biologie, half einigen Jugendlichen, lesen und schreiben zu lernen, und habe auch hie und da bei der Reinigung geholfen. Vor Ort gibt es vier Salesianer, alle anderen Mitarbeiter*innen sind einheimische Fachpersonen wie beispielsweise Sozialarbeiter*innen, Psychotherapeut*innen und Lehrer*innen. Im «Fambul» gibt es einen geregelten Tagesablauf: Vormittags haben die Kinder und Jugendlichen altersspezifischen Unterricht oder erlernen ein Handwerk, nachmittags finden Kurse statt wie Tanz, Tamburin, Chor, Akrobatik, Theaterspiel. Dann folgt eine Stunde Studium. Abends findet vor dem Essen immer eine gemeinsame Spielrunde statt, danach ist Bettruhe. 

Wie haben Sie die Zeit dort erlebt?
Die schwierigen Lebensgeschichten waren immer wieder herausfordernd, denn die gehen einem natürlich nahe. Das muss man aushalten können. Es benötigt auch viel Empathie. Auch wenn das eher einfache Essen und das sehr feuchtheisse Klima weitere Herausforderungen für mich waren, lernte ich viel über die Kultur, die Natur sowie das Land. Eine grosse Offenheit ist nötig. Denn es ging und geht dabei nicht um einen Einsatz wie beim früheren «Missionieren», sondern ums Dasein, um ein gemeinsames Wirken und darum, Wege zu finden. Der ganze Einsatz war für mich als Senior-Volontärin eine sehr wertvolle Erfahrung, die ich nicht missen möchte. 

Würden Sie solche Einsätze auch anderen ans Herz legen? Wenn ja, was muss eine Person dafür mitbringen?
Eigentlich sind solche Einsätze auch für junge Menschen gedacht, beispielsweise als Zwischenjahr. Dann ist man neun bis zwölf Monate vor Ort. Wenn jemand ein wenig abenteuerlustig ist, Neues entdecken will – Natur, Sprache, Kultur – und zugleich einen Dienst an anderen leisten möchte, darf er*sie sich wirklich bei Don Bosco für solche Einsätze bewerben – in der Schweiz in Beromünster. Die Salesianer haben weltweit Institutionen, die sie aufbauen, unterstützen und fördern. Ihr diakonischer Schwerpunkt liegt dabei klar bei Kindern und Jugendlichen – gemäss ihrem Gründer, dem italienischen Priester Giovanni Bosco.


Interview & Übersetzung: Romina Monferrini, 29.08.2023


Luogo di sicurezza

Quando la famiglia non è più un luogo sicuro

Margrit Keller (62) ha completato un corso di formazione in cooperazione internazionale e salute globale e ha deciso di fare un servizio sociale in Sierra Leone. È stata coinvolta in un progetto chiamato «Fambul», che si occupa di bambini di strada e giovani abusati. Kirche ohne Grenzen l'ha intervistata dopo il suo servizio sociale in Sierra Leone e le ha chiesto delle sue esperienze.

Il «Fambul» si trova in un'ampia area acquistata dalla comunità dei Salesiani (Don Bosco), a circa un'ora di auto da Freetown. Ci sono quatro case, un centro terapeutico, una scuola, centri di formazione e una piccola clinica. I bambini e i giovani che vivono nel «Fambul» hanno storie diverse; come prostituzione, abusi, violenza e orfani di strada. Margrit ha svolto diverse attività, come prendersi cura dei bambini della scuola materna, dare ripetizioni e aiutare i giovani a imparare a leggere e scrivere. 

Signora Keller, esattamente come dobbiamo immaginarlo? Raccontaci del tuo tempo lì.
Ho dovuto cercare i miei compiti da sola, è stata una delle mie sfide più grandi. Ma col tempo ho conosciuto i bambini e i giovani e ho scoperto possibili aree di intervento. Ho dato ripetizioni di matematica e biologia, ho aiutato alcuni giovani e ho aiutato anche nelle pulizie. Sul posto ci sono quatro Salesiani, tutti gli altri collaboratori sono professionisti locali come assistenti sociali, psicoterapeuti, insegnanti. Nel «Fambul» c'è una routine giornaliera: al mattino i bambini e i giovani hanno lezioni specifiche per età o imparano un mestiere, al pomeriggio ci sono corsi come danza, tamburello, coro, acrobatica, teatro. Poi c'è un'ora di studio. La sera c'è sempre un gioco di gruppo prima della cena, poi è l'ora di andare a letto.
 

Wohnhaus der Kinder und Jugendlichen des Projektes «Fambul» der Salesianer in Sierra Leone
Quelle: Margrit Keller
Wohnhaus der Kinder und Jugendlichen des Projektes «Fambul» der Salesianer in Sierra Leone

 

 

Margrit Keller
Quelle: Romina Monferrini
Margrit Keller

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