Neue Herausforderung für die Arbeitsgruppe für Asylsuchende Thurgau

Seit dem 1. März ist das Empfangs- und Verfahrenszentrum in Kreuzlingen zu einem Bundesasylzentrum ohne Verfahrensfunktion, zu einem Ausreisezentrum, umfunktioniert worden. Wie sich diese Veränderung auf die Angebote der Arbeitsgruppe für Asylsuchende Thurgau (AGATHU) auswirken wird, ist noch gänzlich ungewiss.

Es sei sein Verständnis von christlichem Handeln, sagt Karl Kohli, Präsident von AGATHU, warum er sich für die Flüchtlinge einsetzt. Offenbar steht er mit dieser Motivation nicht alleine da. Gegen 50 Freiwillige nahmen am Essen vor der kürzlich abgehaltenen Jahresversammlung teil. Insgesamt kann Kohli auf gut 150 Freiwillige zählen. Dank dieser Unterstützung hat AGATHU nebst dem beliebten Kaffeetreff weitere, speziell auf Flüchtlinge zugeschnittene Angebote im Programm. Der Verein hat ein gutes Einvernehmen mit der Stadt, wie die Teilnahme des Stadtpräsidenten und zweier Stadträte an der Jahresversammlung zeigt. Kurzum, der Verein ist gut aufgestellt und der rege Besuch der Flüchtlinge – etwa im Kaffeetreff – zeigen, dass die Angebote von AGATHU gerne und oft genutzt werden.

Von hoffnungsvoll zu hoffnungslos

Doch nun ist die Ungewissheit gross. «Seit dem 1. März ist aus dem Empfangs- und Verfahrenszentrum ein Ausreisezentrum geworden», sagt Kohli. Zwar befinden sich noch rund 70 Flüchtlinge nach dem alten Verfahren dort. Kohli rechnet damit, dass ab Mitte April jene Flüchtlinge nach Kreuzlingen kommen, die ausreisen müssen. Wie viele Flüchtlinge dies sein werden, ist ungewiss. Die grösste Sorge für Kohli ist jene, wie sich die neue Situation auf die freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auswirken wird. «Bis jetzt kamen Flüchtlinge zu uns, die hoffnungsvoll waren. Jetzt kommen solche, die enttäuscht und hoffnungslos sind», so Kohli. Aus diesem Grund hat AGATHU die Freiwilligen zu einem Abend über Psychohygiene eingeladen. Es ging dabei unter anderem um die Frage: Wie bleibe ich emphatisch und kann trotzdem genügend Distanz wahren? Ein Besuch beim Ausreisezentrum in Bülach zeigte, dass die Flüchtlinge mehr das Gespräch suchen. «Diese Möglichkeitversuchen wir bei Bedarf auch hier in Kreuzlingen anzubieten», so Kohli.

Weniger Flüchtlinge

Kohli, der sich schon seit mehr als 20 Jahren in der Flüchtlingshilfe engagiert, erinnert sich an drei grosse Flüchtlingswellen. Ende der Achtziger Jahre hätten Flüchtlinge in Telefonkabinen und am Bahnhof übernachtet, da es nicht genügend Kapazität zur Unterbringung gab. Die nächste Flüchtlingswelle folgte Mitte der Neunzigerjahre, als im ehemaligen Jugoslawien diverse Kriege ausbrachen. Und seit 2015 herrscht nun die aktuelle Flüchtlingswelle, wobei die Anzahl der Flüchtlinge deutlich abgenommen hat. Laut Kohli kommen die Flüchtlinge aus Eritrea, Afghanistan, Syrien, dem Irak und Nordafrika. Die Schweiz hat mit einigen Ländern ein Rückübernahmeabkommen abgeschlossen. Wer abgewiesen wurde und nicht freiwillig zurückkehrt, wird mit Polizeibegleitung zurückgeschafft. Flüchtlinge aus anderen Ländern werden auf Nothilfe gesetzt, was Essen und Unterkunft in einem Durchgangsheim bedeutet. Diese Nothilfe wird absichtlich zermürbend gestaltet, um so die Ausreise zu erzwingen. Nach einem Jahr werden die Flüchtlinge von einem Durchgangsheim zum nächsten geschickt, damit sie nirgends die Möglichkeit haben, sich zu integrieren.

Aufgeben ist kein Thema

Neu wurde deshalb unter dem Dach des Netzwerks Asyl Thurgau eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich Gedanken macht, wie man jenen helfen kann, die Nothilfe beziehen. «Wir wollen diese Menschen unterstützen, auch darin, freiwillig zurückzugehen», sagt Kohli. Denn die Alternative, das Untertauchen in die Illegalität und Kriminalität, ist menschenunwürdig. Ein Grund dafür ist auch die Scham gegenüber der Familie, da sie in deren Augen versagt haben. Einen positiven Aspekt sieht Kohli in der neuen Struktur: Das Verfahren geht viel schneller, die Flüchtlinge sind nicht schon jahrelang hier, bevor sie den definitiven Entscheid erhalten. Somit sieht Kohli die Anzahl der Flüchtlinge, die das Angebot von AGATHU nutzen, als eher schwankend an. Ob man ans Aufhören gedacht habe? Dazu sagt Kohli: «Das ist kein Thema. Die Aufgabe wird sich unweigerlich ändern, aber wir machen weiter.»

Claudia Koch  (15.4.19)

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Karl Kohli, Präsident von AGATHU, engagiert sich seit über 20 Jahren für Flüchtlinge.

Bild: Claudia Koch

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