Gedenkjahr und Musiktheater zum runden Geburtstag

Die Nonne Silja Walter wäre am 23. April 100 Jahre alt geworden. Die Benediktinerinnen des Klosters Fahr gedenken deshalb das ganze Jahr durch ihrer berühmten Schwester mit zahlreichen Veranstaltungen. Eine davon ist das Theater- und Musikstück «Ich habe den Himmel gegessen», das auch in der Kartause Ittingen gespielt wird und anhand der Lyrik und Prosa der Schriftstellerin ihren Lebensweg nachzeichnet.

«Es gibt das mächtige. Das übermächtige Andere, so zart wie gar nichts, so zart, so leise wie nichts in der Welt. Auf der ganzen Erde, Sternenhimmel eingeschlossen, gibt es nichts so Leises, Denken, Fühlen und Lieben eingeschlossen, es ist noch unsäglich leiser, und doch hat es die Weltscheibe gesprengt… »

Worte der Benediktinerin und Schriftstellerin Silja Walter. Worte, die berühren. Sie werden in der Musik- und Theaterproduktion «Ich habe den Himmel gegessen» lebendig. Ein Monolog mit Liedern, bestehend nur aus Original- Texten der Nonne, die 1948 ins Kloster Fahr eintrat. Auf der Bühne gibt ihr die Zürcher Schauspielerin und Sängerin Christine Lather eine Stimme und damit der Lyrik und Prosa Walters den nötigen Raum zur Entfaltung. Doch auch die Klavierbegleitung von Felix Huber versteht die Gefühle und Gedanken Silja Walters auf der musikalischen Ebene so zu transportieren, «dass eine Tiefe entsteht, die ihrer Lyrik gerecht wird», so Lather.

Innere Freiheit

Christine Lather, die auch das Stück schrieb, wählte diese Konzentration auf das Schauspiel, den Gesang und das Piano bewusst, damit «Silja Walters Worte noch mehr Gewicht bekommen und ihr Innerstes und ihre innere Reise erlebbar werden», erklärt sie. Denn viele Besucherinnen und Besucher hätten wohl ihren Namen schon gehört, wüssten aber im Grunde gar nicht, wer und wie sie war oder warum sie tat, was sie tat. «Sie kam aus einem sehr intellektuellen, gutbürgerlichen Elternhaus und entschied sich vor 71 Jahren für ein Leben im Kloster. Zu einer Zeit also, als andere Frauen schon viel selbstbestimmter gelebt haben», sagt die Zürcherin mit Weinfelder Wurzeln. «Dennoch war sie bereit, ihr ganzes Leben auf wenigen Quadratmetern hinter Mauern zu verbringen und der Suche nach Gott zu widmen. Denn ihre Freiheit war in ihr. In ihrem kreativen und inspirierten Wesen. Ihre Passion war es, alles aufzuschreiben und so durch die Mauern nach aussen zu tragen», so Christine Lather.

Die versunkene Stadt

Auf die Lyrikerin aufmerksam geworden sei sie selbst eher zufällig, durch ihre Arbeit als Stimmpädagogin. «Ein Schauspiel-Schüler zitierte den Satz von ihr: ‹Ich gehe in einen tiefen Wald, am uferlosen See› – und es machte Klick bei mir. Ich begann alles über sie und von ihr zu lesen. Ihre Lyrik war unglaublich schön. Ihre Romane haben mich fasziniert, weil sie alle in der Ich-Form geschrieben sind. Da war so viel Leben in ihren Worten, die sich wunderbar für einen Monolog eigneten», erklärt sie. Alles sei für sie interessant gewesen, weshalb ihr die Auswahl nicht leicht fiel. Irgendwann sei die Idee aber vor ihrem geistigen Auge aufgetaucht, wie eine versunkene Stadt. Daraus ergab sich dann langsam ein roter Faden und die Geschichte wuchs. «Mir erzählte jemand, dass das Stück alle wesentlichen Züge einer mystischen Heldenreise in sich trage. Das fand ich spannend, weil ich nicht mit dem Kopf an sie herangetreten bin, sondern rein intuitiv», sagt Christine Lather.

Die spirituelle Forscherin

Auf ihr Bauchgefühl vertraute sie auch, als sie sich zweimal in ein Kloster begab, um sich auf die Rolle vorzubereiten. Denn anfangs, gibt sie zu, hätte sie richtig Angst vor diesem Schritt gehabt. «Ich dachte, ich halte die Stille und die Strenge nicht aus», erklärt sie. Schnell merkte sie jedoch, dass ihre Sorge unbegründet war und empfand die Klosterstruktur sogar als positiv. «Ich habe noch nie derart erfüllt und inspiriert arbeiten können, wie dort. Ich konnte mich danach viel besser in Silja Walter hineinversetzen und habe auch für mich persönlich einen anderen Blickwinkel gewonnen.» Was sie am meisten an Silja Walter interessiere? «Sie war eine extreme Persönlichkeit, die alles erleben wollte, was es zu erleben gibt und sich dem aussetzte. Im Grunde war sie eine Forscherin. Den Dingen bis auf ihren Grund gehen, das fasziniert mich auch. Darin gleichen wir uns.» Sie hält kurz inne und fügt dann hinzu: «Niemand hat je so über Gott geredet. Sie suchte immer nach etwas Anderem, um ihrer Spiritualität Ausdruck zu verleihen. Es sind ihre Worte, die berühren.» Die Worte von Silja Walter.

Sarah Stutte (15.4.19)


Vorführungen des Stücks

• Sonntag, 26. Mai, 18.30 Uhr, Kartause Ittingen, Warth
• Sonntag, 24. November, 17.00 Uhr, Kellerbühne, St. Gallen

Weitere Vorstellungen und Infos: www.himmelgegessen.ch


Übersicht aller Veranstaltungen im Gedenkjahr: www.siljawalter.ch


Silja (Cécile) Walter wurde am 23. April 1919 als zweites von neun Kindern in Rickenbach bei Olten in die Verlegerfamilie Walter hineingeboren. Im März 1948 trat sie, mit 29 Jahren, in das Benediktinerinnenpriorat Kloster Fahr bei Unterengstringen ein. Hier legte sie am 11. Oktober 1949 ihre ersten Gelübde ab und erhielt den Ordensnamen Schwester Maria Hedwig. 2011 starb sie ebenda, 91-jährig.


 

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Christine Lather und Felix Huber während der Vorführung des Stücks «Ich habe den Himmel gegessen».

Bild: zVg

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