In der Schweiz werden immer weniger Kinder geboren
2024 traten weniger Menschen aus der Kirche aus als im Rekordjahr 2023. Inzwischen sterben mehr Kirchenmitglieder, als es Taufen gibt. Das liegt auch an der tiefen Geburtenrate. Mit 1,29 Kindern pro Frau erreichte diese 2024 den niedrigsten Wert seit Aufzeichnungsbeginn.
Arnd Bünker spricht von einem « Epochenwandel », das Ende der Nachwuchskirche sei erreicht. Damit meint der Leiter des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts (SPI), das die Kirchenstatistik für die katholische und reformierte Kirche Schweiz führt, das frühere Erneuerungsmodell der Kirche, bei dem sterbende Mitgliedergenerationen durch Taufzahlen ausgeglichen und die Kinder und Jugendlichen durch religiöse Erziehung begleitet wurden : « Bis zur Ehe. Damit war die nächste Generation quasi gesichert. »
Diese Zeiten gehören längst der Vergangenheit an. « Unsere Basis schrumpft kontinuierlich », stellt Bünkers reformierter Kollege Stephan Jütte an der Medienpräsentation der Kirchen im vergangenen September fest. In Zahlen : In der katholischen Kirche Schweiz wurden im vergangenen Jahr 13'548 Menschen getauft, 10 Prozent weniger als im Vorjahr, 35 Prozent weniger als vor zehn Jahren. In der reformierten Kirche ist der Rückgang noch grösser. Die 7'111 Taufen im Jahr 2024 entsprechen einem Minus von 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr und 46 Prozent gegenüber dem Wert von 2014.
Negativer Generationensaldo
Der « klar negative Generationensaldo », den Jütte ausmacht, lässt sich zusätzlich an einem Vergleich festmachen : In der Schweiz gab es im vergangenen Jahr 78'256 Geburten. Die Taufquote betrug nur 26,4 Prozent, obwohl der Anteil der Kirchenmitglieder an der Gesamtbevölkerung – katholisch und reformiert – gemeinsam bei etwa 50 Prozent lag. « Darin zeigt sich der starke Abbruch der familiären Weitergabe von Glauben und Kirchenbindung », sagt Arnd Bünker. Er geht davon aus, « dass die Sockelerosion langsam, aber stetig steigen wird ».
Das Tempo des Mitgliederschwunds werde wegen der fehlenden Taufen zunehmen. Der Theologe, der das SPI seit 2009 leitet, hält es zudem für « nicht realistisch, die grossen Trends der Entkirchlichung, der Säkularisierung und Individualisierung in Religion und Spiritualität zu stoppen ». Die Geschichte bleibe aber offen, « auch für Überraschungen ».
Seit dem Jahr 2022 ist erstmals die Gruppe ohne Religionszugehörigkeit in der Schweiz die grösste mit einem Anteil von 33,5 Prozent. Die römisch-katholische Kirche hatte noch einen Anteil von 32,1 Prozent und die evangelisch-reformierte einen von 20,5 Prozent. Der Anteil der islamischen Bevölkerung lag bei 6 Prozent, wie etwa derjenige von anderen christlichen Glaubensrichtungen.
Gelebte Neuinterpretationen
Der St. Galler Bischof Beat Grögli stellte an der Medienpräsentation klar, es wäre « naiv, auf bessere Zeiten zu hoffen ». Er räumte ein, eine flächendeckende Pastoral könne künftig nicht mehr gewährleistet werden. Es müsse darum gehen, « die Beteiligung der Gläubigen zu stärken, Vielfalt zu ermöglichen und damit auch Kontrolle und Einheitlichkeit aufzugeben ». Bünker drückte dies so aus : Man werde sich in Zukunft vielleicht weniger auf die Grösse und mehr « auf die überraschende Lebendigkeit der gelebten Neuinterpretationen der Botschaft Jesu » ausrichten.
Dominik Thali , Kant. Pfarreiblatt Luzern, 24.11.2025
2024 weniger Austritte
Im vergangenen Jahr traten gesamtschweizerisch 36'782 Personen aus der katholischen Kirche aus, 46 Prozent weniger als 2023. Bei der reformierten Kirche waren es 32'561 Austritte (–18 Prozent). Der Rückgang erklärt sich mit der grossen Austrittswelle 2023, die auf die Publikation der Pilotstudie zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche Schweiz zurückzuführen war.
In beiden Kirchen liegen die Austrittszahlen 2024 gleichwohl über jenen von 2022. Der Rückgang hält also an. Da wie dort zeigt sich zudem, dass sich der höhere Anteil von Sterbefällen gegenüber Taufen stark auswirkt.
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