Vorfreude auf die Frauensession

Regula Böhi-Zbinden nimmt als eine der Vertreterinnen aus dem Thurgau an der Frauensession vom 29. bis 30. Oktober in Bern teil.

Für Regula Böhi-Zbinden scheint der Tag mehr als 24 Stunden zu haben. Kurzfristig hat sie einem Gespräch zugestimmt und nimmt sich Zeit, die Fragen überlegt und sorgfältig zu beantworten. Nur schnell verschwindet sie in ein separates Zimmer in der Wohnung im oberen Stock des Schulhauses in Friltschen bei Bussnang. «Ich muss schnell das Brot aus dem Ofen nehmen», ruft sie. Der Backofen sieht professionell aus und die Menge Brote weist auf mehr als nur Eigenbedarf hin. Böhi-Zbinden sagt lachend: «Bei mir kann man ein Brotabo lösen. Das Mehl beziehe ich von einem Bauern aus dem Dorf.» Die 11-jährige Tochter Jara hilft beim Ausliefern mit. Das ist jedoch nur eine ihrer Tätigkeiten nebst einem Mittagstisch für Schulkinder, Teilzeitarbeit in einer sozialen Institution sowie als Verantwortliche für die Caféteria und das Gemeindemittagessen in der Freien Christengemeinde Weinfelden, mit der die ausgebildete Gärtnerin ihren Tag ausfüllt. Ihre Kraft, all das zu meistern, beziehe sie aus ihrem Glauben. «Ich bin mit einer robusten Gesundheit gesegnet. Zudem weiss ich, dass jemand da ist, der mich trägt, mir wohltuende Kontakte ermöglicht und für mich vorausschaut.»

Tradition und Moderne verbinden

Die 47-Jährige stammt aus Murten und lernte den Thurgau durch ein Haushaltsjahr auf einem Landwirtschaftsbetrieb in Wängi kennen. Als Tochter einer Bauernfamilie war ihr die Arbeit vertraut, so dass sie nach der Lehre zur Gärtnerin Saisonvertretungen auf Bauernhöfen übernahm. In dieser Zeit lernte sie ihren Mann kennen, den sie 1999 heiratete. Nach der Geburt des Sohnes Timeo und einem halbjährigen Aufenthalt in Amerika kehrte die Familie 2011 in den Thurgau zurück, nach Friltschen. «Um Leute kennenzulernen, gibt es eigentlich nur eine Möglichkeit: einem Verein beitreten», sagt sie und wurde Mitglied des Landfrauenvereins. Bald schon übernahm sie einen Vorstandssitz und wurde 2015 als Präsidentin des Thurgauer Landfrauenverbands gewählt, dem rund 55 Sektionen angehören. Ihr oberstes Ziel ist es, Tradition und Moderne gelingend zu kombinieren. «Für mich ist es eine schöne Tradition, dass der Landfrauentag jeweils in einer Kirche stattfindet. Daran möchte ich nicht rütteln. Aber überall am Alten festzuhalten ist nicht mein Ding», sagt die Präsidentin. Aus dieser Position heraus fühlte sie sich angesprochen, sich für die kommende Frauensession wählen zu lassen. «Ich wusste, dass ist die Gelegenheit. Sonst ist das kein Thema mehr für mich, falls es wieder 30 Jahre bis zur nächsten Frauensession dauert», begründet sie.

Parteipolitisch unabhängig

«In meinem Elternhaus wurde am Tisch viel politisiert, mein Vater war politisch aktiv, daher kommt mein Interesse daran», erklärt Böhi-Zbinden. Mehrfach wurde sie schon für eine politische Mitgliedschaft angefragt. «Ich möchte jedoch im Moment keiner Partei angehören, da ich als Präsidentin des Landfrauenverbandes parteipolitisch unabhängig bin und eher meine Meinung sagen kann», sagt sie. Deshalb freut es sie umso mehr, dass sie für die Teilnahme an der Frauensession gewählt wurde – was sie notabene durch eine Freundin erfuhr, da sie vergass, das Wahlresultat nachzuschauen. Danach konnte sie sich, wie die übrigen 246 teilnehmenden Frauen nach Priorität für drei der acht Kommissionen einschreiben. Bereits hat sie die übrigen Frauen der Kommission Landwirtschaft in einem Sitzungszimmer im Bundeshaus getroffen, um über die anstehenden Anliegen zu diskutieren. Ein toller Moment! Böhi-Zbinden sagt dazu: «Wir sind eine kleine Gruppe Frauen mit unterschiedlichem Alter, Beruf und sozialem Umfeld. Es gibt Frauen aus der Landwirtschaft, aber auch solche aus der Stadt. Das ist sehr bereichernd, aber auch herausfordernd.» So komme man weg vom Fachjargon.

Parlament hat vorgegriffen

Themen wie die bessere finanzielle Absicherung von Bäuerinnen standen etwa auf ihrer Liste. Hier habe das Parlament nun in der Herbstsession vorgegriffen und beim Bundesrat eine entsprechende Motion platziert. Aber es stünden noch weitere Anliegen an, die nicht nur für Bäuerinnen, sondern für alle Frauen zur Verbesserung der Gleichstellung gelten sollen, sagt Böhi-Zbinden. Sie freut sich sehr darauf, im grossen Nationalratssaal zu sitzen und die Anträge aus den Kommissionen zu behandeln. Die Vorschläge der Kommissionen sollen in Motionen umgeschrieben und an Nationalratspräsident Andreas Aebi übergeben werden.

Claudia Koch, forumKirche, 18.10.2021

Bei Regula Böhi-Zbinden, Präsidentin des Thurgauer Landfrauenverbandes und Teilnehmerin an der kommenden Frauensession, kann man ein Brotabo lösen.
Quelle: Claudia Koch
Bei Regula Böhi-Zbinden, Präsidentin des Thurgauer Landfrauenverbandes und Teilnehmerin an der kommenden Frauensession, kann man ein Brotabo lösen.

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