St. Galler Corona-Bibel fast fertiggestellt

Seit dem Aufruf vom 22. März der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Straubenzell und der Cityseelsorge der katholischen Kirche im Lebensraum St. Gallen werden fleissig Bibelkapitel abgeschrieben. Was für die Region St. Gallen gedacht war, begeistert und animiert über die Kantons- und Landesgrenze hinaus.

Täglich kommen zwischen 20 und 30 A4- Couverts bei der Cityseelsorge in St. Gallen an. «Das Öffnen der Couverts ist etwas vom Schönsten», schwärmt Roman Rieger, Leiter der Cityseelsorge und Mitinitiator des aussergewöhnlichen Projekts. Denn was die freiwilligen Helfer*innen, die fleissig fürs Einsortieren und Erfassen eingesetzt werden, Überraschendes zu Gesicht bekommen, könnte unterschiedlicher nicht sein: Bibeltexte, von schlicht mit Kuli geschrieben, bis hin zu kalligraphischen Meisterleistungen. Nicht selten ist die Seite bemalt oder der Anfangsbuchstabe des Textes verziert. Die Texte sind nicht nur in Deutsch geschrieben, sondern kommen auch in Dialekt, Aramäisch, Englisch oder Französisch daher. «Das Volk Gottes schreibt ab», sagt Rieger dazu. Es ist ein Beweis dafür, dass das Projekt, das noch bis Pfingsten dauert, weit über die Kantons- und Landesgrenze hinaus bekannt geworden ist. 

Telefonische Unterstützung
Wichtig sei, sagt Mitinitiatorin Ann-Katrin Gässlein von der Cityseelsorge, dass die Menschen so praktikabel und flexibel wie möglich an das Abschreiben herangehen können. Auch sollten die Menschen jene Bibel als Vorlage nehmen, die sie zu Hause haben, unabhängig, um welche Übersetzung es sich handelt. Gewisse Vorgaben sollten jedoch, wenn möglich, befolgt werden. Eine Anleitung ist auf der Homepage in einem kurzen Film aufgeschaltet oder kann als Dokument heruntergeladen werden. «Doch nicht jede interessierte Person hat einen Computer oder es gibt Schwierigkeiten, sich im Doodle einzutragen», so Gässlein. Deshalb wurde nebst dem Doodle auch eine Telefonnummer angegeben, die von Gässlein betreut wird. «Ich gebe auch Anregungen, falls die gewünschte Bibelstelle bereits vergeben ist», sagt Gässlein. Darüber hinaus meistert Sekretär Valentino Leanza viel Koordinationsarbeit per Mail. 

Deckblätter gestalten Kunstschaffende
Inzwischen ist laut Rieger gut 90 Prozent der Bibel vergeben, nicht zuletzt auch dank des riesigen Medienechos, das bis in die Diözese Bozen-Brixen und in die Vatican News reichte. Während noch wenige letzte Kapitel frei sind – die Liste auf der Homepage wird laufend aktualisiert –, werden gleichzeitig Kunstschaffende gesucht, die die 46 Deckblätter der biblischen Bücher gestalten. Gewünscht wird, dass eine Auseinandersetzung mit dem entsprechenden biblischen Buch stattfindet und ein Motiv daraus sichtbar dargestellt wird. Auch dafür hätten sich laut Rieger schon zahlreiche Kunstschaffende unterschiedlichster Couleur bei Hauptinitiator Pfarrer Uwe Habenicht von der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Straubenzell gemeldet. Ist die gesamte Bibel beieinander, wird diese in fünf grossen Bänden mit je einem ebenfalls künstlerisch gestalteten Leineneinband zusammengefasst. «Schön wäre es, die St. Galler Corona-Bibel als Dokument dieser aussergewöhnlichen Zeit noch dieses Jahr festlich und feierlich in der Kathedrale der Stiftsbibliothek zu übergeben», so Rieger. 

Keine Deutungshoheit
Kann ein*e Schreiber*in ihren bzw. seinen Beitrag in der Gesamtausgabe einsehen? Genau diese Frage stellt sich auch das Projektteam und überlegt, ob man Teile der Corona-Bibel kopieren und in der Kathedrale auflegen soll. «Das Original liegt ja in der Stiftsbibliothek hinter Glas», erklärt Rieger. Zusätzlich sollen die Seiten eingescannt und in digitaler Form der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Ziel ist es, die digitale Publikation mit Filtern so zu gestalten, dass einfach nach Texten, Sprachen und Bildern gesucht werden kann. Somit wäre laut Rieger auch die ganze Fülle der zwischen 2000 bis 3000 Seiten einsehbar. Und zwar nicht nur die Bibeltexte als solches, sondern auch die Kommentare, in die man am Schluss des Textes seine persönlichen Gedanken und Einsichten einfliessen lassen darf. «Hier findet sich eine riesige Vielfalt, die ganz ohne Deutungshoheit durch uns als Kirche auskommt », sagt Rieger. 

Claudia Koch (12.05.20)
 


Weitere Infos unter www.kathsg.ch/coronabibel

 

Viele Bibelabschriften wurden farbig ausgestaltet
Viele Bibelabschriften wurden farbig ausgestaltet

Bilder: Roman Rieger

 

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