Igbo-Volk kontra römisch-katholisches Weltbild

Dr. theol. Chika Uzor ist ein hochgebildeter Mann nigerianischer Herkunft, der mit viel Geduld und interkulturellem Verständnis in seinem pastoralen Amt den Migranten und Flüchtlingen dient. Kirche ohne Grenzen hat mit ihm über kulturelle Herausforderungen und afrikanische Ansichten gesprochen.

Sie schrieben das Buch: «Leben zwischen zwei Welten». Wovon handelt es?

Um das Innenleben von jungen Igbo-Priesteramtskandidaten in Nigeria. Man ist immer ein Kind seiner Kultur, sie prägt unser gesamtes Weltbild. Bei der Konfrontation mit einer anderen Haltung, die nicht das Bekannte und Vertraute decken kann, steckt man in einer Art psychologischem Konflikt. Es entsteht eine starke innere Spannung. Für die nigerianischen Priester ist es manchmal besonders schwierig. Sie treffen im Seminarumfeld auf eine westlich orientierte Denkweise. Danach muss diese aber in der afrikanischen Umgebung eingesetzt werden. Das Unbekannte muss zuerst «übersetzt», also neu interpretiert werden, mit dem Ziel, die bisherige Lebenseinstellung der Menschen damit zu ersetzen. Es kreiert eine Form des Menschseins, die sich dem afrikanischen Deutungshorizont entgegenstellt.

Wie sieht das traditionelle Weltbild der Igbo aus?

Aus biblischer Sicht ist der Himmel eine unbegrenzte Zeit – die Ewigkeit. Für Afrikaner jedoch wird die Zeit immer mit einem Ereignis verbunden, somit gibt es keine ferne Zukunft. Nur das unmittelbare Morgen kann man mit Ereignissen gestalten, die Ewigkeit ist folglich viel zu abstrakt. Weiter wird auch der Tod auf andere Weise definiert. Führte man ein gutes Leben, ist der Tod der Übergang in die Ahnenwelt und man bleibt weiterhin ein Teil der Familie. War man aber boshaft, gerät man in die Welt der bösen Geister. Das Schlimmste ist, wenn ein Toter in Vergessenheit geraten ist. Dann ist er endgültig tot. Zugleich kennt man, wie bei uns, Gott, den Schöpfer. Er hat die Welt geschaffen, wird aber nicht mit jeder Kleinigkeit der Welt behelligt. Verschiedene Götter sind für diverse Dinge verantwortlich. Das höchste Ansehen geniessen der Sonnengott und die Erdgöttin. Dem Schöpfer aber darf man keine Altäre bauen. Mit ihm hat der Mensch eine direkte Beziehung. Die Igbo glauben, dass jeder von uns einzeln geschaffen ist und ein göttliches Quantum in sich trägt. Deswegen sind auch keine Vermittler zwischen den Menschen und dem Schöpfer nötig.

Was ist mit Jesus als Vermittler?

Als wesenhafter Teil des Dreifaltigen Gottes wird Jesus nicht unbedingt als Vermittler angesehen. Logischerweise vermittelt man nicht zwischen zwei Parteien, wenn man selbst eine davon ist, dies wird dann als direkter Kontakt verstanden.

Wie interpretiert man die katholische Priesterfunktion?

Im Kontext der Igbo-Kosmologie ist das natürlich sehr kompliziert, weil generell keine Vertretung benötigt wird. Dies ist für die katholische Bevölkerung nicht einfach zu akzeptieren. Ein Priester kommt zwar aus dem Volk, aber er wird zum Vertreter einer ungewohnten europäischen Werthaltung und passt somit nicht mehr in diese Welt.

Was verstehen Sie unter europäischem Einfluss?

Die Namensgebung beispielsweise ist überall ein Zeichen der Verbundenheit mit dem Umfeld. Im Namen ist deine Einzigartigkeit besiegelt und die gesellschaftliche Anerkennung dargestellt. Dein Name macht dich unverwechselbar, auch wenn er vielleicht von anderen Menschen getragen wird. In Afrika sind Namen Hinweise auf Ereignisse rund um die Geburt, Hoffnungen und Sorgen der Familie, etc. Bis vor kurzem wurden einzig westlich-europäische Namen zur christlichen Taufe zugelassen. Mein Taufname ist Justin, ich habe mich jedoch für meinen afrikanischen Namen, Chika («mein Gott ist mächtig»), entschieden. Es ist schlussendlich die Lebensweise, die einen heilig macht, nicht der Name.

Text & Übersetzung: Monika Freund Schoch (29.1.19)


«Life between two worlds»

Igbo-creed versus catholic believes

Dr. theol. Chika Uzor works in St. Gallen with migrants and refugees. Kirche ohne Grenzen talked to him about intercultural challenges and African worldviews.

You wrote once the book «Life between two worlds». What is it about?

It's about the Nigerian priests facing in the seminar a Western mindset. It causes an inner tension, since we all are children of various cultures. The new creed must be first «translated» for the African society with the aim to replace the previous believes.

What does the traditional worldview of Igbo looks like?

Biblically, the heaven is seen as eternity. For Africans time is associated with an event, so endless future is far too abstract. If one leads a good life, death is the transition to the ancestral world and one remains part of the family. But if you were malicious, you would enter the world of evil spirits. The worst is when a dead person gets forgotten, that means a final end of existents. Igbo believe in god, who created the world, but he is not engaged in all the little matters. Different gods are responsible for various issues. They believe that each one of us is created by god individually and carries a divine quantum. That is why there are no mediators between the people and the creator, no priests needed.

Where do you see European influence?

The name-giving, for example, is everywhere a sign of the social recognition and seals your uniqueness. In Africa names are indications of events surrounding the birth, hopes and worries of the family, etc. Until recently only European names were approved for the Christian baptism. My baptismal name is Justin, but I am using my African name, Chika («my god is powerful»). After all, the way of life makes one holy, not the name. 


Ausgabe Nr. 03/2019


 

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Chika Uzor in seinem Büro (Domzentrum St. Gallen)

Bild: Monika Freund Schoch

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