Ein Gespräch mit Norbert Bischofberger

Seit 2017 wandert Norbert Bischofberger für das Schweizer Fernsehen auf spirituellen
Wegen. Zuletzt war er im Jura auf der Via Francigena unterwegs. Wer pilgert, brauche nicht in die Ferne schweifen, meint der Journalist und Theologe.

Nicht nur in Ihrer Sendung «Spirituelle Wege der Schweiz» scheint das Wandern im Trend zu liegen. Wie erklären Sie sich das?

Wir hetzen ständig durch den Alltag und stehen unter Leistungsdruck. Wenn wir einmal die Zeit finden, möchten wir in die Natur hinaus, dort dürfen wir sein, ohne zu müssen. Wir können uns ans Feuer setzen, in die Glut schauen und dem Wind in den Bäumen lauschen. In der Sendung verbinden wir solche Momente mit spirituellen Orten.

Wie viele Zuschauer haben Sie?

Zwischen 30'000 bis 40'000 mit den Wiederholungen. Die Sendungen haben zudem online eine hohe Auswertung. Die Resonanz ist bedeutend grösser als bei «Sternstunde Religion», die im Studio aufgenommen wird. Etliche Zuschauer schicken uns Bücher und Vorschläge, welche Orte wir noch besuchen sollten.

Die Strecken, auf denen Sie wandern, haben ihre eigene Geschichte.

Absolut. Die Landschaft in der Schweiz hat einen besonderen Charakter. Alle zwanzig bis dreissig Kilometer verändert sie sich und neue Täler, Anhöhen und Ausblicke tun sich auf. Auch kulturell und geschichtlich ist die Schweiz enorm vielfältig. Die Reformation zum Beispiel hat das Land geprägt. Aus dieser Spaltung entstanden die verschiedensten Arten zu glauben. Diese Vielfalt hat sich in der Kultur und im Kirchenbau niedergeschlagen.

Die Wege haben eine spirituelle Kraft. Spürt man diese?

Ja. 2018 drehten wir im Val Lumnezia eine Folge über Kraftorte. Es gibt Orte, an denen man die Energie spüren und seine Batterie aufladen kann. In der Zeit der Dreharbeiten im Val Lumnezia überlegte ich mir, mich beruflich umzuorientieren. Auf der Via Caminata traf ich Pirmina Caminada. Die erste Wildhüterin im Kanton Graubünden hat sich auf Kraftorte spezialisiert. Sie führte mich zum Teufelsstein, auch Erlenstein genannt, an dem man über eine Neuorientierung nachdenken kann.

Pilger berichten, dass Sie der Weg verändert. Kennen Sie das?

Ja. Das Wandern entschlackt und führt einen auf das Wesentliche zurück. Es ist wie bei einem Glas Wasser, in dem Dreck schwimmt. Wenn ich es eine Zeit lang stehen lasse, setzt sich der Schmutz ab, und das Wasser wird wieder klar. Das Gleiche geschieht beim Wandern. Gewisse Sachen erledigen sich von selbst, sinken ab und man merkt, sie sind im Leben nicht so wichtig. Anderes hingegen steigt an die Oberfläche und man beginnt, darüber nachzudenken. Beim Gehen fliessen die Gedanken. Und man begegnet Menschen, die einen weiterbringen.

Was ist die Botschaft Ihrer Sendung?

Ich will den Menschen zeigen, das Glück liegt vor der Haustüre. Man muss nicht weit suchen. Jeder Weg kann spirituell sein. Gerade im Zeitalter der Klimaveränderung stellt sich doch die Frage, warum müssen wir in die Ferne fliegen, wenn wir so viele wunderschöne Landschaften und kulturelle Hotspots vor unserer Haustüre haben?

Verstehen Sie Menschen, die 2000 Kilometer nach Santiago de Compostela laufen?

Sicher. Der Pilgerboom hat mit unserer Zeit zu tun, in der alles schneller, hektischer und komplizierter wird. Ich selber habe nicht das Bedürfnis, aus meinem Leben auszubrechen, sondern ich möchte den Weg in kleinen Dosen in meinen Alltag einbauen.

Trifft man unterwegs auf Gott?

Absolut. Manchmal geschieht dies unterwegs auf dem einsamen Feld, oder an Pilger- oder Wallfahrtsorten, in Begegnungen mit anderen oder mit einem selber, im Herzen.

Pilgern bedeutet Beten mit den Füssen. Viele, die heute auf den Pilgerwegen unterwegs sind, haben keinen Bezug mehr zur Kirche.

Tendenziell nimmt die Bedeutung der Volkskirchen ab. In der nächsten Generation werden noch weniger Menschen Mitglied einer Kirche sein. Da stehen wir vor der Herausforderung, den Menschen, die auf der Suche nach Sinn und Gott sind, etwas anzubieten. Ich denke, die spirituellen Wege bieten eine gute Möglichkeit, mit ihnen über solche Fragen vertieft zu sprechen. Ich verstehe meine Arbeit nicht als Gegenentwurf zu einer hektischen Leistungsgesellschaft, sondern als Angebot im Bereich der Sinnfragen.

Interview: Tilmann Zuber, kirchenbote-online/Red. (17.3.20)

Buchtipp: «Das Glück liegt vor der Haustür – Spirituelle Wege der Schweiz»

Bischofberger
Kultureller Hotspot vor der Haustüre: Norbert Bischofberger vor den Beatushöhlen bei Thun.
Bild: © SRF

 

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