Interdiözesane Wallfahrt

Von überallher kommen jährlich rund fünf Millionen Menschen nach Lourdes, um an den Messen und Prozessionen teilzunehmen, das Heilwasser zu trinken oder gar in ein Becken einzutauchen. Auch von der Schweiz aus werden regelmässig Wallfahrten durchgeführt. Damit dies auch für Menschen mit eingeschränkter Mobilität möglich ist, werden sie von Freiwilligen begleitet.

Seit über 130 Jahren pilgern Schweizer*innen im Rahmen der Interdiözesanen Lourdeswallfahrt der Deutschen und Rätoromanischen Schweiz an den bekannten Pilgerort am Fusse der französischen Pyrenäen. Nach einer vierjährigen Pause aufgrund der Pandemie waren zwischen dem 26. April und 5. Mai wieder rund 1'000 Pilger*innen unterwegs – darunter 82 Personen mit eingeschränkter Mobilität, die vollumfänglich umsorgt werden müssen. Letztere geniessen in Lourdes in der Krankenherberge Accueil Notre-Dame eine Rundumbetreuung durch Fachpersonal und zahlreiche freiwillige Helfer*innen.

246 Freiwillige
Gereist wird seit der Aufgabe der Extrazüge vor einigen Jahren mit Charterflugzeugen und Bussen. Unter den Teilnehmenden befanden sich in diesem Jahr 291 Neupilger*innen und 29 neue Helfende. Die insgesamt 246 Helfer*innen im «Accueil», wie die Krankenherberge genannt wird, verteilten sich auf die Pflege (66 Personen), den Kirchendienst (31), den Platzdienst (21), den Speisesaal (24), die Cafeteria (16), den Gebetsdienst (12), die Nachtwache (7), den Kiosk (7), die Wäscherei (5), das Pilgerbüro (5), die Kita (4), die Bäder (4) und die Spezialdienste (14). Ergänzt wurden diese Helfenden aus allen Altersschichten von neun Seelsorgern, acht Ärzten, zehn Ministrant*innen, einem Profifotografen und zwei jungen Frauen vom Jugenddienst.

Bischof von Chur als Begleiter
Begleitet wurde die diesjährige Wallfahrt von Joseph Maria Bonnemain, dem Bischof von Chur, der mit seiner offenen Art die Herzen der Wallfahrenden im Sturm erobert hat. Den Pilger*innen wird in Lourdes im Rahmen eines intensiven Wallfahrtsprogrammes unter anderem eine Vielzahl von Messen, Prozessionen und Gebeten in den verschiedenen Gotteshäusern im Heiligen Bezirk geboten. An den Feierlichkeiten stets dabei sind die Fahnenträger der verschiedenen Lourdes-Pilgervereine im Einzugsgebiet der drei Diözesen Basel, Chur und St. Gallen.

Zahlreiche Höhepunkte
Zu den Höhepunkten zählten auch in diesem Jahr die internationale Sonntagsmesse in der riesigen unterirdischen Pius-Basilika mit sieben Bischöfen, 80 Priestern und mehreren Tausend Gläubigen aus aller Welt, die Sakramentsprozession, die Freiluft-Messe an der Grotte von Massabielle, die Krankensalbung und ganz besonders die tägliche Lichterprozession. Für Letztere machen sich nach Einbruch der Dunkelheit täglich mehrere Tausend Gläubige mit Kerzen in einem speziellen Karton auf einen Rundgang durch den Heiligen Bezirk. An dieser besonders stimmungsvollen Prozession erklingt das berühmte Lourdes-Lied «Ave Maria» jeweils aus Tausenden von Kehlen in den Nachthimmel.

Alles begann am 11. Februar 1858
Bis vor 165 Jahren war Lourdes ein verschlafenes kleines Städtchen in einem vom bisweilen wilden Gebirgsfluss Gave durchzogenen Tal südlich der Stadt Tarbes. Dann geschah 1858 etwas Geheimnisvolles: Am 11. Februar erschien der aus armen Familienverhältnissen stammenden 14-jährigen Bernadette Soubiros in der Grotte von Massabielle am Ufer der Gave eine «in Weiss gekleidete Dame», die sich später als «Unbefleckte Empfängnis» zu erkennen gab. Es folgten bis zum 16. Juli weitere 17 Marienerscheinungen. Bei der dritten Erscheinung forderte die Jungfrau Maria das Mädchen auf, an diesem Ort eine Kirche zu bauen und aus der Quelle zu trinken, die in der Grotte entsprungen war.
Der Bau der ersten Basilika, welche der «Unbefleckten Empfängnis» gewidmet ist, wurde 1862 in Angriff genommen. 1876 wurde dieses über der Grotte errichtete Bauwerk als eigentliches Wahrzeichen des 51 Hektaren umfassenden Wallfahrtsbezirkes geweiht. Heute findet man im Wallfahrtsbezirk rund 20 Kirchen und Kapellen.
Angefeindet von Kirche und Öffentlichkeit, trat Bernadette 1866 ins Kloster von Nevers ein. Sie starb dort mit erst 35 Jahren an Tuberkulose. 1925 wurde Bernadette seliggesprochen, 1933 erfolgte die Heiligsprechung.
Das unablässig fliessende Quellwasser, dem eine heilende Wirkung zugeschrieben wird, wird heute in Brunnen und in Bädern für die Kranken aufgefangen. Schon 1858 soll es dank des Lourdes-Quellwassers zu einer ersten Wunderheilung gekommen sein. 1862 anerkannte die katholische Kirche erstmals eine der Wunderheilungen von Lourdes. Diese Zahl ist bis heute auf rund 70 angestiegen.

Heilung von Bruder Leo
Unter den anerkannten Wunderheilungen findet man auch den Schweizer Bruder Leo Schwager aus der Abtei Sankt Otmarsberg in Uznach (SG), der auf wunderbare Weise am 30. April 1952 während der Sakramentsprozession von Multipler Sklerose im Endstadium geheilt wurde. Seine Genesung wurde von den zwei offiziellen internationalen Ärztekommissionen als «auf natürliche Weise nicht erklärbar» eingestuft. Bruder Leo wurde in den folgenden Jahrzehnten weithin bekannt und geschätzt als Mitorganisator der Interdiözesanen Lourdeswallfahrt. Er starb 2004 an Krebs.
Das zum Bistum Tarbes gehörende Lourdes ist heute eine Kleinstadt mit rund 14‘000 Einwohner*innen. Mit jährlich bis zu fünf Millionen Wallfahrer*innen vor der Pandemie ist diese sogar an das Netz der Hochgeschwindigkeitszüge TGV angebunden.

Lourdes-Wasser ab Zapfhahnen
Täglich sprudeln über 100‘000 Liter Lourdes-Quellwasser. An den Zapfhähnen bilden sich zu gewissen Tageszeiten lange Warteschlangen. Das Füllen der Behälter und Kanister für die betreuten Wallfahrer*innen im «Accueil» sowie für die Lourdes-Pilgervereine – insgesamt mehrere Hundert Liter – zählt jeweils zu den Aufgaben der Freiwilligen im Platzdienst.
Von den im «Accueil» betreuten Menschen mit beeinträchtigter Mobilität, um die sich in Lourdes alles dreht, bleibt niemand allein. So bietet etwa die Cafeteria viele Begegnungsmöglichkeiten innerhalb der grossen Pilgerfamilie. Der Dienst an kranken Menschen steht in Lourdes im Mittelpunkt. Die wenigsten hoffen auf ein Wunder. Für viele dieser Wallfahrer*innen mit Behinderung oder chronischer Erkrankung ist Lourdes jedoch ein Ort, wo sie Trost suchen und Zuversicht schöpfen. Zu Hause in der Schweiz leben viele von ihnen häufig recht isoliert. Für sie sind die Tage in Lourdes, in denen sie im Mittelpunkt stehen, umsorgt werden und andere Kranke treffen, das eigentliche Wunder.

Freddy Kugler, forumKirche, 22.05.2023

■ Die nächste Interdiözesane Lourdeswallfahrt findet vom 12. bis 18. April 2024 statt. Für weitere Informationen: www.lourdes.ch

 


 

 

 

Blanka Kälin (77) aus Weesen (SG)
«Ich kenne seit meiner Kindheit nichts anderes als ein Leben im Rollstuhl. Mit etwa zwanzig Jahren begab ich mich auf meine erste Lourdeswallfahrt. Ich schätze hier die gelebte Solidarität. Die vielen schönen Gottesdienste sind für mich eine echte Kraftquelle. Die vielen Helfer*innen im «Accueil» sorgen sehr gut für uns. Bei jedem Besuch in Lourdes habe ich das Gefühl, dass meine Seele an diesem Kraftort wieder gesund wird.»


 

 

 

Emma Dahinden (78) aus Ebikon (LU)
«1993 habe ich auf einer Lourdeswallfahrt meinen 2011 verstorbenen Mann kennengelernt. 1994 haben wir geheiratet. Lourdes hilft mir, das Leben etwas leichter zu nehmen. Für mich ist die Wallfahrt ein Tapetenwechsel, der mit vielen schönen Erinnerungen an meinen Ehemann verbunden ist. Hier lerne ich andere Menschen kennen und freue mich auf jeder Wallfahrt über die tolle Rundumbetreuung.»


 

 

«Lourdes macht süchtig!»

Zum neunten Mal seit seiner vorzeitigen Pensionierung im Jahr 2011 reiste Freddy Kugler (73) aus Wil-Bronschhofen (SG) als freiwilliger Helfer nach Lourdes. Er engagiert sich jeweils im Platzdienst, der primär dafür sorgt, dass die in ihrer Mobilität eingeschränkten Personen im «Accueil» für die Fahrt zu den verschiedenen Messen in Rollstühlen und Wägeli optimal verpackt sind.

Was motiviert Sie, eine knappe Woche als Helfer in Lourdes zu verbringen?
Motiviert hat mich ein befreundeter Priester, der die grosse Wallfahrt der Bistümer Basel, Chur und St. Gallen während vieler Jahre als Seelsorger begleitet hat. Ich bin dankbar für meine gute Gesundheit und möchte Menschen, denen es weniger gut geht, etwas zurückgeben. Den Dank für meinen Einsatz entnehme ich den zufriedenen Gesichtern der betreuten Mitmenschen.

Was bringt Ihnen Lourdes persönlich?
Auch für mich ist der Aufenthalt am Fusse der Pyrenäen ein Tapetenwechsel. Ich bin nicht besonders religiös, habe aber ein Flair für spirituelle Selbsterfahrung. Unter den Millionen von Pilger*innen, die Lourdes jährlich besuchen, befinden sich sehr viele Kranke. Es erstaunt mich deshalb immer wieder, dass ich in Lourdes mit den vielen Restaurants und Kaffeehäusern mehr Heiterkeit erlebe und mehr lachende Gesichter antreffe als in jeder anderen Stadt. Der Geist von Lourdes ist auf Schritt und Tritt spürbar. In die Schweiz kehre ich jedes Mal mit einer tiefen Dankbarkeit zurück.

Wie fühlen Sie sich als Helfer im Platzdienst?
Als Teamplayer engagiere ich mich mit Freude in einer zwanzigköpfigen Mannschaft, mit der man sich nach Dienstschluss zu einem Bier oder einem Glas Wein trifft. Wir ziehen alle am gleichen Strick und sorgen dafür, dass die betreuten Gäste in ihren Gefährten unfallfrei zu den verschiedenen Anlässen und zurück in den «Accueil» gelangen.

Werden Sie auch im kommenden Jahr wieder nach Lourdes reisen?
Das habe ich mir fest vorgenommen. Auf meiner ersten Wallfahrt im Jahr 2012 sagte mir eine Helferin: «Freddy, pass auf, Lourdes macht süchtig!» Rückblickend betrachte ich diese Worte als Prophezeiung, die sich bewahrheitet hat!

Red., 22.05.2023

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Quelle: Freddy Kugler
Tägliche Lichterprozession: einer der Höhepunkte einer Lourdeswallfahrt
 
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Quelle: Freddy Kugler
Internationale Sonntagsmesse in der unterirdischen Pius-Basilika mit Bischof Joseph Maria Bonnemain
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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Quelle: Freddy Kugler
Blanka Kälin
 
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Quelle: Freddy Kugler
Emma Dahinden
 
 
 
 
 
 
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Quelle: zVg
Freddy Kugler (73) aus Wil-Bronschhofen (SG)
 
 

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