Ein Zirkuspfarrer aus Leidenschaft

Am 21. September findet in Gachnang ein artistischer Gottesdienst mit Zirkuspfarrer Adrian Bolzern statt. Die Idee dahinter: Auf die Arbeit der Philipp Neri-Stiftung aufmerksam zu machen, die dieses Jahr ihr 20-jähriges Bestehen feiert. Die Stiftung finanziert nicht nur die Seelsorgetätigkeit von Pfarrer Bolzern, sondern unterstützt auch in Not geratene Menschen aus der Zirkus-, Markthändler- und Schaustellerwelt.

Schon früh sei er von der Zirkuskünstler-Glitzerwelt fasziniert gewesen. «Mein Vater nannte mich deshalb ‹Chilbibueb›. Vielleicht kann ich mich darum gut mit den Menschen, die dort arbeiten, identifizieren. Auch wenn sie manchmal knorrig und eckig sind – das passt zu mir.» Allenfalls, weil der 40-jährige Adrian Bolzern eine sympathische Frohnatur ist, mit einem verschmitzten Lächeln und einer warmen, herzlichen Ausstrahlung. Mindestens einmal während eines Gottesdienstes versuche er, die Menschen zum Lachen zu bringen. «Wenn sie mit hängenden Köpfen aus der Kirche kommen, habe ich etwas falsch gemacht.»

Ehemaliger Landschaftsgärtner

Seine Passion entdeckte er allerdings erst über Umwege. Nach einer Ausbildung zum Landschaftsgärtner entschied er sich, motiviert durch sein langjähriges kirchliches Engagement, die theologische Richtung einzuschlagen. In Luzern studierte er zuerst Religionspädagogik und arbeitete danach als Religionslehrer und Jugendarbeiter in Reinach. Auf dem dritten Bildungsweg studierte er dann Theologie und wurde2012 zum Priester geweiht. Als solcher wirkt er heute zu 50 % in der Pfarrei Peter und Paul in Aarau und ist zudem seit 2014 nun als offizieller Nachfolger von Ernst Heller, dem ersten Schweizer Zirkuspfarrer und Begründer der Philipp Neri-Stiftung, als Zirkus-Schausteller- sowie Markthändlerseelsorger tätig, ebenfalls mit einem 50 %- Pensum.

Viel unterwegs

Als Zirkuspfarrer mache er im Grunde nichts anderes als in einer «normalen» Pfarrei. Er sei für die Menschen da und begleite sie seelsorgerisch von der Geburt bis zum Tod. Speziell sei beispielsweise auf einer Chilbi jedoch die Segnung eines Fahrgeschäfts oder im Zirkus die eines Esel-Zuwachses. Auch die Gottesdienste werden, statt in der Kirche, unter dem Zirkuszelt oder auf der «Tutschautobahn» gehalten – die vielfältige Begegnung und das Leben quasi «on the road» gefeiert, betont der Zirkuspfarrer. Seine Arbeit mit den regelmässigen Besuchen direkt vor Ort sehe er durch den jetzigen Papst bestätigt: «Franziskus sagt, dass wir zu den Menschen gehen müssen, um sie zu erreichen.» Im Moment betreut Bolzern, neben den Händlern und Chilbibetreibern, acht mittelgrosse bis grosse einheimische Zirkusbetriebe, die von März bis November in der Deutsch- und Westschweiz auf Tournee sind. Für ungefähr 5000 Schausteller versucht er dabei ein offenes Ohr zu haben, neben den Mitgliedern seiner ansässigen Kirchgemeinde. Damit ist er selber ständig «on the road». Im Jahr lege er bis zu 40'000 Kilometer zurück – «einmal um die Welt», wie er lachend feststellt.

Artistik in Gachnang

Die Zirkusleute würden mit den unterschiedlichsten betrieblichen wie persönlichen Sorgen und Problemen an ihn herantreten. Momentan sei die Existenzangst ein grosses Thema. «Viele haben zu kämpfen, weil zu wenig Besucher kommen. Früher war der Zirkus ein Highlight in jedem Dorf, heute ist das nicht mehr so. Die Konkurrenz im Unterhaltungsbusiness ist in den letzten Jahren wahnsinnig gewachsen», erklärt Adrian Bolzern. Fehlenden Einnahmen würden zudem wachsende Kosten, vor allem höhere Platzgebühren, gegenüberstehen. «Diese Arbeit ist ein Knochenjob, wenn man allein schon den ständigen, manchmal täglichen Auf- und Abbau bedenkt. Wenn ich sehe, dass diese Menschen alles geben und dann Bahnen nicht laufen, Vorstellungen halb leer sind und Betriebe Konkurs anmelden müssen, wie jüngst der Zirkus Nock oder der Zirkus von Beat Breu, tut mir das selber im Herzen weh», so Adrian Bolzern.

Wichtig sei ihm deshalb, dass die Menschen wieder mehr in den Zirkus gingen und diese Tradition auch an ihre Kinder weiter - geben würden. «Wenn nicht, wird es irgendwann keinen Zirkus mehr geben.» Auch aus diesem Grund tourt er mit seinem Wohnwagen derzeit durch die Pfarr gemeinden und versucht, mit dem besonders gestalteten Gottesdienst, der verschiedene Aspekte der Predigt jeweils von einer Feuerartistin, zwei Clowns oder einem Zauberer künstlerisch untermalt, «ein wenig Zirkusluft in die Kirchen zu bringen».

Sarah Stutte (5.9.2019)


Philipp Neri-Stiftung

Benannt nach dem Schutzheiligen der Humoristen – Philipp Neri. 1999 von Ernst Heller begründet, um eine Zirkuspfarrer- Stelle zu finanzieren und darüber hinaus nicht nur seelsorgerische Unterstützung für Artisten, Schausteller und Marktfahrer zu bieten, sondern ihnen auch finanziell und unbürokratisch in Notlagen zu helfen. Die Stiftung finanziert sich vollumfänglich durch Spenden. «Schön wäre es deshalb, auch von kirchlichen Institutionen wie den kath. Landeskirchen unterstützt zu werden», wünscht sich Adrian Bolzern. (www.philipp-neri.ch)


 

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Adrian Bolzern in seinem Wirkungsbereich: Während einer Predigt im Zirkuszelt.

Bild: zVg

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