Sozialprojekt Recrearte im Nordosten Brasiliens

Salome Merz aus Weinfelden arbeitete 2013 ein halbes Jahr für das Sozialprojekt Recrearte in Brasilien, welches Kindern in einem Armenviertel Bildung und Perspektiven vermittelt. Zehn Jahre später ist Salome Merz immer noch stark mit dem Projekt verbunden.

In einem Freiwilligenprojekt in Südamerika arbeiten, so hatte sich die 1994 in Weinfelden geborene Salome Merz ihr Zwischenjahr nach der Kanti vorgestellt. «Ich wollte nicht ohne Lebenserfahrung studieren gehen», begründet sie. Doch so einfach liess sich ein solches Projekt nicht finden. Merz sagt dazu: «Ich wollte keine 5'000 Franken zahlen, um dann unentgeltlich zu arbeiten.» Ihr Vater lancierte einen Aufruf über Facebook und dabei stiess Salome Merz auf das Sozialprojekt Recrearte im Nordosten Brasiliens, das vom Schweizer Hannes Martin Müller mitgegründet wurde. Ihre Spanischbücher musste Merz damit jedoch auf die Seite legen und gegen portugiesische Bücher tauschen. 

Kinder weg von der Strasse bringen
Als sie im Februar 2013 in Fosfato, einem Stadtteil von Abreu e Lima nordöstlich von Recife ankam, wurden gerade die Kinder für die Schule eingeschrieben. In dieser Gegend besuchen die Kinder vor- oder nachmittags die staatlichen Schulen, wo sie Mathe und Portugiesisch lernen. 40 bis 50 Kinder pro Klasse sind normal und jedes Kind steigt immer eine Klasse höher. Dieses System bringt es mit sich, dass die Hälfte der Kinder bis zur 4. Klasse analphabetisch aufwächst. Die restlichen Stunden verbringen die Kinder vorwiegend auf der Strasse. Das mache aus ihnen leichte Beute für illegale Geschäfte, sagt Merz. Die Knaben, oft nicht älter als 10 Jahre, werden als Drogenkuriere, sogenannte Piloten, eingesetzt. Die Mädchen werden schnell Mütter. Schwangerschaften bei 13- oder 14-jährigen Mädchen sind daher nicht selten. Um diesen Kindern im Armutsviertel berufliche sowie persönliche Chancen zu bieten, werden im Zentrum Recrearte auch die musischen und kreativen Seiten gefördert. 

Verliebt zurück in der Schweiz
Die sprachlichen Hürden hat Salome Merz während ihres Einsatzes 2013 rasch gemeistert. «Ich bereitete den Znüni vor, habe gewaschen und gekocht. Irgendwann meinte meine Chefin, dass ich auch unterrichten könnte», sagt sie. Die Chefin, Jasilma Amorim Müller, gründete zusammen mit ihrem Mann Hannes Martin Müller, pensionierter und ausgewanderter Schweizer Lehrer, 2006 das Zentrum Recrearte. Seit 2014 ist die Chefin auch ihre Schwiegermutter. Die heutige Primarlehrerin sagt dazu: «Ich habe mich während des Aufenthaltes in ihren Sohn Luciano verliebt.» Inzwischen sind die beiden ein Paar, Eltern eines zweijährigen Sohnes und leben in der Schweiz. Als Hannes Martin Müller 2019 starb, gründeten die beiden den Verein Recrearte Brasilien Support Schweiz, bei dem Salome Merz als Präsidentin den Vorsitz hat. Der Bruder von Luciano Merz ist als Schulleiter im Zentrum angestellt. Somit ist der Kontakt zu Brasilien, zur Institutionsleitung, zu den Lehrpersonen wie auch zu einzelnen Schüler*innen nie abgebrochen. Auch besucht das Paar das Zentrum regelmässig, um sich über die Fortschritte zu informieren.

Viele bauliche Wünsche realisiert
Diese Fortschritte sind vor allem in der Realisierung von neuen Schulräumen oder der überdachten Turnhalle sichtbar. Gerade die Turnhalle ist laut Salome Merz während der Regenzeit ein grosses Highlight, um die Kinder nebst dem Unterricht aktiv zu beschäftigen. «Bei unserem letzten Besuch anfangs November haben wir festgestellt, dass viele bauliche Ideen und Wünsche, von denen Hannes Martin Müller geträumt hatte, umgesetzt werden konnten», sagt Merz. Auf dem Rundgang dieses Jahr durch die neuen Zimmer hätten sie beide Tränen in den Augen gehabt. Möglich machten dies ebenfalls Spenden aus der Schweiz. Auch wenn das Projekt finanziell gut aufgestellt ist, sind weitere Spenden herzlich willkommen.

Pause vom schwierigen Alltag
Ziel von Salome Merz ist es, daran zu arbeiten, dass es den Menschen im Armutsviertel besser geht. Dass Kinder aus diesem Viertel durch das Projekt Recrearte «herauskommen», sei eine Illusion. Aber dass die Kinder lesen und schreiben können, mache sie unabhängiger und lasse sie selbst Entscheidungen treffen, wie beispielsweise wählen zu gehen. Für das neue Jahr wünscht sie sich für das Projekt Stabilität und eine solide langfristige Finanzierung, um den Kindern Pause vom oft schwierigen Alltag zu bieten und sie künstlerisch zu fördern. So wie es der zusammengesetzte Projektname Recrearte besagt: spielerische Pause vom Alltag (recrear), angefüllt mit Kunst (arte). 

Claudia Koch, 11.01.2023


■ Weitere Infos: www.recreartebrasil.net

Salome Merz mit ihrem Sohn
Quelle: zVg
Salome Merz mit ihrem Sohn beim letzten Besuch des Sozialprojektes Recrearte im November 2022.

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