Im Gespräch mit dem Seelsorger für Menschen mit Beeinträchtigung

Die katholische Landeskirche hat die neue Stelle «Seelsorge plus» geschaffen und dafür den Sozialpädagogen und Theologen Dr. Andreas Barth (51) gewinnen können. Dieser erzählt, was er für die neue Aufgabe mitbringt, was sich hinter dem Namen «Seelsorge plus» verbirgt und wie er sich den Aufbau der Stelle vorstellt.

«Wir haben als Menschen alle gewisse Grenzen, auch Formen von «Beeinträchtigung». Manche stehen mehr im Vordergrund oder sind dauerhaft. Aber jede und jeder von uns hat auch Stärken», sagt Andreas Barth. Es ist ihm ein besonderes Anliegen, den Blick bei allen Menschen auf diese Begabungen zu richten, auch wenn dies eine gewisse Herausforderung sein kann. 
Diese Haltung hängt mit prägenden Erfahrungen aus seiner Kindheit zusammen. Andreas Barth wuchs mit einer älteren Schwester auf, die schon in jungen Jahren krankheitsbedingt zu erblinden begann. «Als Kind habe ich die Erkrankung kaum wahrgenommen. Ich habe meine Schwester als starke Frau erlebt, die später sogar ein kleines Unternehmen aufgebaut hat», erzählt Barth, der in einem kleinen deutschen Dorf nahe der Schweizer Grenze gross wurde. Auch seine Eltern, die ein kleines Geschäft führten, hätten sein soziales Interesse mitgeprägt. «Sie gingen mit allen Menschen gleich wertschätzend um, beispielweise mit einem Jungen, der Trisomie 21 hatte, und seiner Familie, genauso wie mit anderen in- und ausländischen Mitbürger*innen im Dorf.» 

In St. Gallen und im Thurgau
Nach dem Abitur begann Andreas Barth, Soziale Arbeit und Theologie zu studieren. «Ich betrachte Dinge gern von verschiedenen Seiten und verbinde sie miteinander», beschreibt er sein vielfältiges Interesse. Dieses kam ihm dann zugute, als er an seinem letzten Studienort, der Universität Eichstätt, ein Forschungsprojekt angeboten bekam, welches einerseits mit einer Promotion und andererseits mit der praktischen Seelsorge in den Regens-Wagner-Stiftungen verbunden war. 2005 wechselte der Diakon in das Bistum St. Gallen, wo er bis jetzt noch in der Seelsorgeeinheit Neutoggenburg arbeitet. Bereits seit August 2019 ist Andreas Barth in einem Teilpensum für die Behinderten- und Gehörlosenseelsorge des Bistums St. Gallen verantwortlich. Seit Dezember 2021 hat er diesen Bereich auch im Kanton Thurgau übernommen. Sein Pensum wird sich dort im August von 20 auf 60 Stellenprozente erhöhen. Durch das Verbinden der beiden Stellen soll vor allem die Zielgruppe profitieren. 

Kooperation mit Institutionen
Zusammen mit den Verantwortlichen der Landeskirche hat sich Andreas Barth viele Gedanken gemacht, welchen Namen die neue Stelle im Thurgau bekommen soll. Mit «Seelsorge plus» soll eine Grundhaltung ausgedrückt werden, die die Stärken von Menschen in den Mittelpunkt stellt. «Ausserdem geht es nicht nur darum, etwas für Menschen mit Beeinträchtigung anzubieten, sondern mit ihnen zusammen etwas zu machen. Denn wir können alle voneinander lernen.» Andreas Barth verweist in diesem Zusammenhang auf sein Vorbild Henri Nouwen. Der Theologieprofessor, der zusammen mit Menschen mit Beeinträchtigung in der Arche-Gemeinschaft lebte, habe die Erfahrung gemacht, dass aus jedem Leben Segen komme, wenn man sich ihm öffne. 
In den letzten zwei Jahren entwickelte Andreas Barth bereits unterschiedliche Formen von Gottesdiensten mit Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen, zuletzt die Feier «Segen inklusiv» in der Kathedrale von St. Gallen. Ebenso ist er in Kontakt zu Institutionen, wo er Gottesdienste feiert oder mit den Mitarbeitenden zusammen überlegt, wie man Lebensthemen wie z. B. «Abschied und Trauer» stimmig aufgreifen kann. In der Seelsorge wie im Coaching bezieht Andreas Barth gerne seine Tiere – ein Esel und ein Pferd – mit ein: «Das sind wichtige Beraterinnen. Sie ermöglichen andere Kommunikationsformen, nehmen Ängste, vermitteln Geborgenheit und Freude.»

Zwei Angebote
Im Thurgau soll die neue Stelle erst einmal bekannt gemacht werden. Dazu sind schon zwei Anlässe geplant. Am 2. Juli wird in der reformierten Kirche in Altnau das Pantomime-Theater «Hoffnungsfeuer» aufgeführt. Der Pantomime Damir Dantes und der Mimenchor der Gehörlosengemeinde Zürich greifen Stimmungen rund um die Pandemie und den Ukraine-Krieg auf. Am 3. September sind Eltern und Bezugspersonen von Menschen mit Beeinträchtigungen zu einer «Zeit zum Aufatmen» ins Pfarreizentrum Sitterdorf eingeladen. Auf einem Stationenweg können sie neue Kraft schöpfen. In den nächsten Wochen wird «Seelsorge plus» auch einen eigenen Webauftritt erhalten. 

Detlef Kissner, forumKirche, 11.05.2022
 


■ Nähere Infos: www.bistum-stgallen.ch/seelsorge/behindertenseelsorge-und-gehoerlosenseelsorge/ 

Andreas Barth und die Eselin Gitane
Quelle: Teresa Costa, St. Gallen
Für Andreas Barth ist die Eselin Gitane eine wichtige Partnerin in der Seelsorge und bei Coachings.

Kommentare

+

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Sicherheitsfrage überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind und verhindert automatisches Spamming.
Bild-CAPTCHA
Geben Sie die Zeichen ein, die im Bild gezeigt werden.