Interview mit Stefan Haupt, dem Regisseur des Films «Zwingli»

Seit dem 17. Januar ist der Film über den ersten Zürcher Reformator Ulrich Zwingli in den Kinos zu sehen, unter anderem auch im Kino Roxy in Romanshorn. Warum Regisseur Stefan Haupt («Der Kreis») in säkularen Zeiten einen Film über Religion wichtig findet und was von Zwinglis Erbe heute noch Gültigkeit hat, erklärt er im Interview.

Welches Verhältnis haben Sie selbst zur Kirche?

Ich bin in der Methodistenkirche gross geworden und mein Vater war gleichzeitig Chordirigent in der reformierten Landeskirche. Mich hat Religion also schon früh begleitet. Mit 13 Jahren habe ich bereits Dietrich Bonhoeffer gelesen, doch mit 20 hatte ich plötzlich den Drang, aus allem auszubrechen. Mir war die Fokussierung – ausnahmslos auf die gute, liebe Seite – zu eng gefasst, Aggressionen wurden aussen vor gelassen. Ich spürte zu wenig, was ich genau hätte glauben müssen – und konnte das nicht. Später hat sich das wieder geändert. Mit zunehmendem Alter finde ich, dass Religion etwas unglaublich Wichtiges für uns sein kann. Man sollte die eigenen Wurzeln kennen, auch im Hinblick darauf, wohin man gehen will.

Warum haben Sie, in Zeiten der zunehmenden Säkularisierung, einen Film über Religion gemacht?

Unsere gelockerte Bindung an die Religion hat viele gute, wichtige Seiten. Doch Säkularisierung bedeutet auch Verlust, wenn nur noch Kapitalismus und Egoismus im Vordergrund stehen. Dann geht etwas an Gemeinschaft verloren, das durchaus in Grundgedanken der Religion zu finden wäre. Spannend ist zudem, dass die steigende Islamophobie, die wir aktuell beobachten können, aus uns allen plötzlich wieder Christen zu machen scheint, obwohl die meisten deshalb ja nicht öfter in die Kirche gehen. Je länger die Dreharbeiten dauerten, desto öfter haben wir uns abends zusammengesetzt und uns beispielsweise über unsere Konfessionen ausgetauscht. Dabei war spürbar, wie unterschwellig prägend die konfessionelle Herkunft für viele von uns immer noch ist. Unsere Welt ist nach wie vor viel stärker davon beeinflusst, als wir wahrhaben wollen.

Wer war Zwingli für Sie persönlich? Ein revolutionärer Denker, der die Kirche dem Volk näherbrachte oder ein widersprüchlicher Charakter mit differenten Beweggründen?

Für mich war er kein «Revolutionär». Er wollte auch nicht aus purer Lust gegen die Obrigkeit kämpfen. Vielmehr trieb ihn ein grosser Wissensdurst an, kombiniert mit einem tiefen Gerechtigkeitssinn, dem er sich durch seine Herkunft, mit einem Gemeindeammann als Vater, verpflichtet fühlte. In der Zentralbibliothek habe ich original handschriftlich verfasste Schriftstücke von Zwingli gesehen, die mir imponiert haben. Aus ihnen wird ersichtlich, wie er hebräische, griechische und lateinische Bibel texte tage- und nächtelang studiert haben muss, um sie mit der richtigen Bedeutung ins Deutsche zu übersetzen. Diese Suche nach Authentizität strebte er kompromisslos an.

Die Kirche verdankte ihre Macht auch dem weitverbreiteten Analphabetismus des Volkes. Doch hätte sie diese auch ausüben können, wenn die Menschen gebildeter gewesen wären?

Ganz sicher hat der Zuwachs von Bildung dem Volk geholfen, den Mächtigen auf die Finger zu schauen. Paradox an der heutigen Situation ist hingegen, dass uns unglaublich viel Wissen zugänglich ist – und trotzdem fehlt uns die Zeit oder wir nehmen sie uns nicht und fühlen uns von so vielen Faktoren überfordert, dass wir diesem ganzen Wissen ohnmächtig gegenüberstehen. Wer verwaltet Wissen? Wer hat die Macht, Wissen zu verbreiten? Diese Fragen bleiben relevant, gerade dann, wenn der Zugang zu mehr Bildung der Schlüssel zu einer demokratischeren und gerechteren Welt ist.

Der Reformator trat gegen die Missstände in der katholischen Kirche ein. Diese wird zurzeit von Missbrauchsskandalen gebeutelt. Brauchen die Menschen heute einen neuen Zwingli?

Es ist nicht an mir, hier den Richter zu spielen – aber es gibt viele Punkte in der katholischen Kirche, die für mich nach wie vor sehr virulent sind. Deshalb wäre es sicher wünschenswert, wenn starke Bewegungen, die Veränderungen bewirken könnten, aus der Kirche – sowohl der katholischen, wie genauso der reformierten – selbst herauskommen. Im Hinblick auf das Reformationsjubiläum muss das Ziel ein gemeinschaftliches Miteinander aller Konfessionen sein.

Sarah Stutte (15.1.19)


Nähere Infos:

Der Film «Zwingli» wird im Kino Roxy in Romanshorn am 24. Januar um 19.30 Uhr sowie am 25. Januar und 2. Februar jeweils um 20.15 Uhr gezeigt.
Nach der Vorstellung am 24. Januar folgt ein Gespräch mit Regula Streckeisen, Pfarrer Ruedi Bertschi und Matthias Loretan. 


 

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Zwingli war zuversichtlich, was die Erneuerung der Zürcher Kirche betraf.

Bild: © C Films

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