Einblicke in den Sozialdienst einer Pfarrei

Die Kirche feiert Gottesdienste, bringt Menschen den Glauben nahe und sorgt sich um deren seelisches Wohl. Dieses Bild ist weit verbreitet. Dass Kirche aber auch Notleidenden ganz praktische Hilfe gewährt, kommt in der öffentlichen Wahrnehmung oft zu kurz. Andreas Pfiffner ist mit 80 Stellenprozenten für den kirchlichen Sozialdienst in der Pfarrei Romanshorn zuständig. Er gibt Einblicke in seine Arbeit und zeigt auf, warum es sie braucht. 

Weil er in Gefahr ist zu vereinsamen, soll Beat S.* in ein Wohnheim für Männer ziehen. Doch schon der erste Schritt überfordert ihn. Andreas Pfiffner begleitet ihn und schaut sich mit ihm das Heim an. «Beat S. kommt bis heute vorbei, z. B. wenn er Hilfe braucht beim Kleiderbestellen im Internet», sagt Andreas Pfiffner. In anderen Fällen setzt sich der Sozialpädagoge dafür ein, dass eine Krankenkassenrechnung überbrückt werden kann, hilft beim Erstellen bzw. Ausdrucken einer Bewerbung oder vermittelt vorübergehend eine Unterkunft. Solche Beratungen und Begleitungen, die kostenlos sind und jeder und jedem offenstehen, gehören zu seiner Hauptaufgabe. Daneben ist er zuständig für die Notunterkunft, die die Pfarrei Hilfesuchenden zur Verfügung stellt, und regelt deren Vergabe. Er kümmert sich um die Bedürfnisse von Passant*innen und betreut Freiwillige wie z. B. die Begleitgruppe St. Johannes, die vorwiegend Senior*innen besucht und mit ihnen die Freizeit gestaltet. Sein längerfristiges Ziel ist es, ein Projekt in der Pfarrei zu initiieren, bei dem Menschen, die aus dem Tritt geraten sind, einfach mitarbeiten können und so wieder Anschluss finden. 

Spielräume für Begleitung
Vor gut zwei Jahren wurde der Sozialdienst der Pfarrei Romanshorn ins Leben gerufen. Seit dieser Zeit hat Andreas Pfiffner bereits 87 Klient*innen betreut. Anfangs wurden sie noch vom Sozialamt oder von Beratungsstellen zu ihm geschickt. «Inzwischen ist unser Angebot bekannter, immer mehr Menschen finden den Weg direkt zu mir», sagt Pfiffner. 
Er schätzt die Vielseitigkeit seiner Aufgabe und die Spielräume, die sie ihm bietet: «Ich habe die Zeit und die Möglichkeit, auf Ratsuchende gut einzugehen.» So kann er seine Klient*innen zu Ämtern begleiten, ihnen helfen, Formulare auszufüllen, sich auch einmal in ein rechtliches Problem hineinknien oder eine finanzielle Unterstützung bei verschiedenen Institutionen zusammensammeln. Es ist ihm wichtig, dass es am Ende eine Lösung gibt. «Das können andere soziale Einrichtungen oft nicht leisten, weil es ihren Auftrag sprengen würde oder sie die Kapazitäten dazu nicht haben», sagt Andreas Pfiffner. Den Unterschied nehmen auch seine Klient*innen wahr. Einer meinte: «Sie sind die erste Anlaufstelle seit bald zehn Jahren, die uns kurz und unkompliziert Hilfe angeboten hat. Dafür sind wir ihnen sehr dankbar.» Da die Beratung der Schweigepflicht unterliegt, können die Hilfesuchenden dort auch einmal ihrem Ärger Luft machen oder ihr Herz ausschütten. «Manche Gespräche gehen auch ins Seelsorgerliche hinein», so Pfiffner.

Vernetzt
In den zurückliegenden Jahren sind gute Kontakte von seiner Stelle zu anderen örtlichen sozialen Einrichtungen wie den Sozialen Diensten Romanshorn, Perspektive Thurgau, Pro Senectute oder der evangelischen Pfarrei gewachsen. Man weiss umeinander, tauscht sich aus und schätzt die Zusammenarbeit. Diese Verbindungen sind wichtig, um Fragen auf kurzem Weg klären oder Hilfesuchende unkompliziert an den richtigen Ort vermitteln zu können. 
Ebenso wichtig ist für Andreas Pfiffner die Einbindung in die Pfarrei. Er ist Teil des Seelsorgeteams und nimmt an dessen wöchentlichen Sitzungen teil. «Auch in den Kaffeepausen läuft viel unter den Kolleg*innen an Austausch und Beratung», so der Sozialpädagoge. Einmal pro Jahr gestaltet er einen Sonntagsgottesdienst mit und hält die Predigt. Für die Pfarrei wie für die Hilfesuchenden ist sein Dienst unverzichtbar geworden. «Wir sind aus der Kirche ausgetreten. Sie und ihre Stelle wären eigentlich ein Grund wieder einzutreten», meinte ein Klient. 

Detlef Kissner, forumKirche, 27.7.21


Hilfen auf verschiedenen Ebenen

Die Diakonie gehört neben der Glaubensverkündigung und der Liturgie zu den Grundaufgaben der Kirche. In vielen Pfarreien sind für diese Aufgabe Seelsorgende verantwortlich, in einigen werden dafür eigens Fachpersonen angestellt. Unterstützt werden die Thurgauer Pfarreien auf kantonaler Ebene durch die Caritas Thurgau, die neben ihren Angeboten für Armutsbetroffene (z. B. Schuldenberatung) einen Runden Tisch für Verantwortliche im Bereich Diakonie ins Leben gerufen hat. Ergänzende Möglichkeiten zur Unterbringung von Menschen bietet der neu gegründete Verein Kirchliche Notherberge Thurgau.
 

Andreas Pfiffner
Quelle: Detlef Kissner
Andreas Pfiffner hat ein offenes Ohr für die Sorgen von Hilfesuchenden.

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