Eine Einordnung der Änderungen im Kirchenrecht

Papst Franziskus hat das kirchliche Strafrecht verschärft und erweitert, auch für die Bereiche Missbrauch und Korruption. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) beantwortet fünf Fragen rund um das neue Recht, das im Dezember mit Beginn des neuen Kirchenjahres in Kraft tritt.

Warum hat die katholische Kirche ein eigenes Strafrecht?

Wie die meisten Religionsgemeinschaften hat auch die katholische Kirche ein eigenes Strafrecht, das ergänzend zum weltlichen Strafrecht angewendet wird. Es ist Teil des weltweiten katholischen Kirchenrechts, das im «Codex iuris canonici» (CIC) niedergeschrieben ist. Er trat 1983 in Kraft. In den einzelnen Ländern können die Bischöfe aber auch Spezialgesetze in Kraft setzen – sogenanntes Partikularrecht.

Welche Strafen kann die Kirche verhängen?

Anders als staatliche Gerichte kann ein Kirchengericht keine Haftstrafen verhängen. Verhängt werden «Beugestrafen», die nach Reue und Umkehr des Täters wieder aufgehoben werden müssen. Höchststrafe ist hier der zeitweise Ausschluss aus der Kirchengemeinschaft, die Exkommunikation. Ferner gibt es Sühnestrafen, die zeitlich befristet oder für immer verhängt werden können. Geistliche können aus dem Klerikerstand entlassen werden.

Was ändert sich im neuen Kirchenrecht in Bezug auf sexuellen Missbrauch?

Erstmals wird der sexuelle Missbrauch von Minderjährigen benannt als eine Straftat gegen Leben, Würde und Freiheit des Menschen und nicht mehr als Verstoss gegen den Zölibat, also die Pflicht der Priester zum ehelosen Leben. Missbrauch steht nun im selben Kapitel wie Mord, Vergewaltigung und Abtreibung. Die Höchststrafe für Geistliche bleibt die Entlassung aus dem Klerikerstand. Neu ist, dass auch kirchliche Angestellte oder Laien in Ehrenämtern wegen Missbrauchs kirchenrechtlich bestraft werden können. Anders als im weltlichen Strafrecht gibt es ausserdem nun in der katholischen Kirche bei sexuellem Missbrauch keine Verjährungsfristen mehr.

Was ist sonst neu im veränderten Kirchenrecht?

Die Bischöfe werden erstmals rechtlich verpflichtet, das Wohl der Gläubigen durch die Anwendung von Strafgesetzen zu schützen. Eine Neuerung gibt es auch beim Kirchenvermögen: Die widerrechtliche Aneignung (auch durch einen Bischof) ist nun ebenso strafbar wie die Veräusserung von Kirchenbesitz ohne die vorgeschriebene Beratung, Zustimmung oder Erlaubnis. Ebenfalls neu ist ein erweiterter Straftatbestand der Korruption, der im Höchstfall zur Entlassung aus dem Amt führen kann. Neu geregelt sind ausserdem Geldstrafen und Schadensersatzzahlungen für Kleriker und andere kirchliche Angestellte.

Was bedeuten die expliziten Verbote der Frauenweihe sowie der Sakramentenspendung an jene, denen der Empfang verboten ist?

Die Verbote sind nicht neu, stehen jetzt nur im Codex. Sollte das kirchliche Lehramt aber irgendwann feststellen, dass eine Weihe für Frauen möglich ist, etwa als Diakonin, würde das Strafrecht entsprechend geändert. Das Verbot der Sakramentenspendung an jene, denen der Empfang verboten ist, gilt nur im Fall eines formalen rechtlichen Urteils. Die Frage der Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen und Nicht-Katholiken dagegen ist eine moralische und seelsorgliche.

Ludwig Ring-Eifel, kna/Red. forumKirche, 3.6.21

 

*Auf kath.ch finden Sie ein Interview mit Urs Brosi, Generalsekretär der Katholischen Landeskirche Thurgau, zu diesem Thema: Urs Brosi: Die Bischöfe könnten Priestern die Geldstrafe in Rechnung stellen – kath.ch

Die Anpassungen des Kirchenrechts sollen zu mehr Gerechtigkeit führen (Gerechtigkeitsbrunnen in Cudrefin VD).
Quelle: Roland Zumbuehl/Wikimedia Commons
Die Anpassungen des Kirchenrechts sollen zu mehr Gerechtigkeit führen (Gerechtigkeitsbrunnen in Cudrefin VD).

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