Wie Chur zu seinem Bischof kommen könnte

Die Domherren hätten am 23. November einen neuen Bischof von Chur wählen können. Doch sie haben auf ihr Wahlprivileg verzichtet. Papst Franziskus kann nun einen Bischof ganz nach seinem Gusto ernennen.

«Martin Grichting war der Strippenzieher. Er behandelt manche Domherren wie Marionetten », sagt ein Domherr. Auch 48 Stunden nach der Bischofswahl ist er entsetzt darüber, dass das Domkapitel keinen neuen Bischof gewählt hat. «Der Nuntius hat sein Versprechen gehalten, gute Kandidaten auf die Terna zu bringen. Mit Joseph Bonnemain, Vigeli Monn und Mauro-Giuseppe Lepori hätte der Neuanfang im Bistum Chur gelingen können», so der Insider. Seinen Namen will er nicht nennen. Denn die Interna aus dem Domkapitel stehen unter Verschwiegenheitspflicht.

Kein Präzedenzfall bekannt

Nun wird spekuliert, dass Papst Franziskus dem Domkapitel eine neue Dreierliste vorlegen könnte, die sogenannte Terna. Doch diese Variante sei unwahrscheinlich, sagt Urs Brosi. Der Kirchenrechtler ist Generalsekretär der Landeskirche Thurgau. Die Szenarien seien gar nicht so einfach zu skizzieren, findet Brosi: «Rechtlich lässt sich nichts Gewisses sagen: Der Fall ist nicht spezifisch geregelt, weder in den Konkordaten noch im CIC.» Der CIC ist das kanonische Recht. Brosi sagt: «Ich kenne keinen Präzedenzfall einer Nichtwahl.» Er hält es nun für am wahrscheinlichsten, dass der Papst einen Diözesanbischof frei ernennt. «Aus römischer Sicht handelt es sich beim Bischofswahlrecht des Domkapitels um ein päpstliches Privileg. Wenn der Privilegierte auf sein Privileg verzichtet, so kommt das kanonische Recht wieder zur Anwendung», sagt Brosi.

Papst kann frei entscheiden

Bei der Ernennung ist Papst Franziskus nun völlig frei. Es könnte sein, dass er Bonnemain, Monn oder Lepori ernennt. Oder auf andere Namen zurückgreift, die im Vorfeld als Kandidaten gehandelt wurden wie z. B. der Luzerner Pfarrer Ruedi Beck, oder der Abt von Einsiedeln, Urban Federer. Warum ist es unwahrscheinlich, dass Rom dem Churer Domkapitel eine neue Terna vorlegt? «Das würde alle Diözesen motivieren, bei Missfallen die Terna von Rom zurückzuweisen und auf eine neue Liste zu warten», sagt Brosi. Die Wahl durch das Domkapitel gibt es nicht nur in Chur, sondern in vielen deutschsprachigen Diözesen.

Administrator statt Bischof

«Da Rom die konkordatär verankerten Bischofswahlrechte durch die Domkapitel ohnehin wenig schätzt, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie dem Churer Domkapitel eine zweite Wahlmöglichkeit mit einer anderen Terna geben», sagt Brosi. «Aber rechtlich wäre der Papst natürlich frei, dies zu tun.» Theoretisch gibt es auch die Möglichkeit, dass Papst Franziskus den Apostolischen Administrator Peter Bürcher in die Verlängerung schickt. Der Walliser feiert am 20. Dezember seinen 75. Geburtstag. Es gibt viele Bischöfe, die erst ein paar Jahre später emeritiert werden. Allerdings ist laut Brosi eine «ordentliche Besetzung des Bischofsstuhls auch im Interesse Roms. «Für die Ernennung eines neuen Apostolischen Administrators kann ich im Moment keine Gründe erkennen.»

Raphael Rauch/Red., 1.12.2020
 

Das Bistum Chur – hier die Kathedrale - wartet weiterhin auf einen neuen Bischof.
Quelle: Christoph Wagener/Wikimedia Commons
Das Bistum Chur – hier die Kathedrale – wartet weiterhin auf einen neuen Bischof.

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