Eindrücke einer Gesprächsgruppe zum Synodalen Prozess

Eine Gruppe von sechs Gläubigen aus dem Pastoralraum Neuhausen-Hallau hat sich mit den komplexen Fragen aus dem Vatikan zum Synodalen Prozess kritisch auseinandergesetzt. Sie vermisst wichtige Fragen zu aktuellen Kirchenthemen. Engagiert trifft sie sich mehrmals, schreibt Bischof Felix einen Brief und geht nun couragiert an die Öffentlichkeit.

In das katholische Pfarreicafé in Neuhausen kommen ein Dutzend interessierte Pfarreimitglieder, um gemeinsam die vorsynodalen Fragen des Papstes zu beantworten. Eine lustige «Ansprache» der Papst-Handpuppe lockert die Stimmung auf. Bevor sich die Gruppen bilden, fragt ein Teilnehmer in die grosse Runde: «Wo sind denn die brennenden Fragen zum Frauenpriestertum, zur Verheiratung von Geschiedenen und Gleichgeschlechtlichen?» Unsere Sechserrunde bildet sich spontan, bestehend aus je drei Frauen und Männern zwischen 39 bis 75 Jahren. Wir sind Engagierte, Kirchenangestellte, Ehrenamtliche oder passive Mitglieder. Gemeinsam sind wir kritisch, offen und an der Mitgestaltung der Kirche interessiert.

Verfehlte Fragestellungen

Schon bei den ersten Fragen «Wer gehört zu unserer Kirche?» und «Wer wird aussen vorgelassen?» diskutieren wir allein schon über die Fragestellung. «Sollte es nicht eher heissen: Wie schaffen wir eine glaubwürdige Willkommenskultur für alle?», schlägt Wilma Kwasnicki vor. Kopfschüttelnd über unverständliche und theologisierende Antwortvorschläge wollen wir direkt unsere Meinung auf dem Feld am Ende des Blocks platzieren. «Stopp!», ruft unsere «Aktuarin» Moni Achermann beim Eintippen, «Das Eingabefeld der PC-Umfrage nimmt nur eine begrenzte Anzahl an Zeichen an!» Ein Raunen und Lachen geht durch die Runde. «Wird so freie Meinungsäusserung eingeschränkt?», bemerke ich scherzend. Nach angeregten zwei Stunden Diskussion schaffen wir es, gerade drei Fragen zu beantworten. Parallel dazu sammeln wir auch Anregungen, Wünsche und Ideen für unseren Pastoralraum.

Dialog anstatt Befragung

Vor unserem zweiten Treffen brieft uns der Teilnehmer Peter Schweizer mit einer Übersicht der Synoden und der Kirchengeschichte. «Welche Rolle will und kann die katholische Kirche in Zukunft spielen?», fragt er. «Es wäre ein riesiges Potential vorhanden, wenn sie es nutzen würde!» Motiviert und mit Freude treffen wir uns für einen weiteren interessanten Austausch. Die Papst-Puppe begleitet uns wieder. Allen ist klar: Wir wollen mitreden! Mit dem Themenfeld Wort ergreifen stellt die Gruppe fest, dass Kommunikation im Gottesdienst nicht möglich ist. «Wir wünschen uns einen ständigen Dialog», bringt Ortwin Niebling es auf den Punkt. Wir sammeln Begriffe zur römisch-katholischen Dialogkultur, wie Wertschätzung und Respekt des Gegenübers, Gesprächsbereitschaft, Offenheit für Neues und Kompromissbereitschaft. «Ich vermisse Demokratie in der römisch-katholischen Kirche», merkt Franz Baumann an. «Und auch ein Wahlrecht aller Gläubigen für Priester*innen, Bischöf*innen inklusive Päpst*in!», ergänze ich euphorisch. Bei aller Ernsthaftigkeit haben wir auch unseren Spass und geniessen den Austausch sehr.

Brief an unseren Bischof

Unsere Diskussionsrunde begrüsst, dass Papst Franziskus uns am vorsynodalen Prozess teilnehmen lässt. «Wir kritisieren aber, dass viele aktuelle Fragen nicht gestellt werden», bedauert Ortwin Niebling. Ein gemeinsamer Brief an Bischof Felix soll das nachholen. «Unsere Gespräche sind für mich bereichernd», teilt Peter Schweizer allen mit, «selbst, wenn sie im Bistum und im fernen Rom nichts bewirken sollten.» Im Brief fordert die Gruppe von der katholischen Kirche die Akzeptanz von Geschiedenen, Wiederverheirateten und von Personen der LGBTQ+-Community. «Vor Gott sind alle Menschen gleich. Warum stehen nicht allen Menschen alle Sakramente offen?», fragen wir den Bischof direkt. Themen wie die Gleichberechtigung der Frau in der Kirche, die Abschaffung des Zölibats und die Auflösbarkeit der Ehe werden auch angeschnitten.

Wir machen weiter

Trotz Kritik an der katholischen Kirche ist die Basisrunde motiviert, sich wieder zu treffen und weitere Themen zu diskutieren. Eine unserer ersten Fragen könnte lauten: «Was hält dich zurück, aus der Kirche auszutreten?». Wir hoffen, viele positive und bestärkende Antworten zu finden. Unser Zusammenkommen ist für uns ein Antrieb für den Wandel geworden, und sei es nur bei uns vor Ort.

Judith Keller, 01.12.2021
 

Die Papst-Handpuppe begleitet mit Schalk die Gesprächsgruppe.
Quelle: Petra Gabele
Die Papst-Handpuppe begleitet mit Schalk die Gesprächsgruppe, von links: Judith Keller, Moni Achermann, Franz Baumann, Ortwin Niebling. Es fehlen Wilma Kwasnicki und Peter Schweizer.

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