Eine Ausstellung von alten Gebäckmodeln

Der Advent ist die Zeit der Guetzli. Doch mit den rund hundert Gebäckmodeln, die ab 7. Dezember im Schaffhauser Museum Allerheiligen zu sehen sind, wurden das ganze Jahr über Köstlichkeiten hergestellt. Anlass für die Ausstellung sind Neuer werbungen sowie eine Publikation des Schaffhauser Hans-Peter Widmer, einem der besten Kenner von Schweizer Gebäck modeln, und der Kunsthistorikerin Cornelia Stäheli.

Model sind Negativformen, die aus Holz, Ton, Stein oder Metall geschaffen sind. Als Holzträger wählte man meistens das harte und gut zu bearbeitende Birnbaumholz. Die Modelherstellung entwickelte sich zu einem florierenden Handwerk. «Ihre qualitätsvolle Ausführung verrät die Hand erfahrener Formschneider», berichtet der Kurator Daniel Grütter. Die Modelproduktion diente Silberstechern und anderen Kunsthandwerkern als lukrativer Nebenverdienst.

Teures Genussmittel

In der frühen Neuzeit stand Honig als einziges Süssungsmittel der breiten Bevölkerung zur Verfügung. Leider lässt das heimische Bienenprodukt den Teig aufgehen, so dass feine Ausformungen nicht möglich waren. Den importierten Zucker sowie Mandeln, die für die Marzipanherstellung bedeutend sind, konnten sich nur die vermögende Oberschicht leisten. Folglich waren sie die Auftraggeber für die filigran geschnittenen Model. Mit ihren Holz- und Tonformen schuf der Zuckerbäcker reliefartige Backwaren und Tortendekorationen aus Marzipan. Das kostbare Genussmittel erhielt eine kunstvolle Präsentation und wurde ein Augenschmaus bei festlichen Ereignissen.

Schenktradition

Im 15. bis 19. Jahrhundert wurde mit Modeln geprägtes Gebäck für religiöse und weltliche Anlässe hergestellt. Man erhielt die «essbaren Bilder» zu Neujahr, Ostern oder Weihnachten sowie bei Geburt, Verlobung oder Hochzeit. So bedankten sich Klöster mit ihrem gemodelten Gebäck bei ihren Schirmherren um die Jahreswende, wie das Autorenpaar Hans-Peter Widmer und Cornelia Stäheli recherchiert hat. Durch Heirat unter angesehenen Familien aus Schaffhausen, St. Gallen oder Zürich schenkte man sich gegenseitig gebackene Allianzwappen, um die Verbindung mit der entfernt lebenden Schwiegerfamilie zu pflegen. Bebilderte Model bzw. ihre reliefartigen Endprodukte dienten sowohl als Gast- als auch als Gastgebergeschenk. Sie vermitteln direkte oder verschlüsselte Botschaften an den Empfänger.

Mit allen Sinnen

Ins Auge fällt die Vielfalt der Modelbilder. Die Sujets stammen aus Geschichten der Bibel, Szenen aus dem Alltag, Mythologie oder Natur. Die alttestamentliche Szene «Samson mit Löwen» suggeriert, dass dessen übermenschliche Kraft und Mut durch das Gebäck aufgenommen werden können. Sujets aus dem Leben Jesu mit ihren messianischen Botschaften können als essbares Bild nun mit allen Sinnen einverleibt werden. Verschiedene Model werden ausschliesslich zu Kirchenfesten verwendet: die Kreuzigungsszene in der Karwoche, das Lamm Gottes zu Ostern, die Krippendarstellung zu Weihnachten. Szenen aus dem menschlichen Leben spiegeln die soziale Stellung wider und sollen Gefühle ansprechen: hier der stolze Kavalier mit Federhut, dort die fürsorgliche Mutter mit Kindern oder die fromme Nonne mit Rosenkranz.

Liebe geht durch den Magen

Interessant sind Liebessymbole, die uns heute nicht mehr bekannt sind. «Das von Säge und Pfeilen durchstossene Herz etwa versinnbildlichte die Liebe zweier Menschen», verrät der Kurator, «die trotz aller Leiden (Säge, Pfeile) vom Glück getragen wird.» Die Sujets vom Handschuhpaar oder von Socken stehen für ein Heiratsversprechen. Der Model mit Wickelkindern soll den Wunsch nach reichem Kindersegen zum Ausdruck bringen.

Viele Gebäckmodel sind Unikate und gehörten bestimmten Personen, Familien oder Körperschaften wie Zünften. Während heutzutage reliefartiges Gebäck wie Spekulatius hauptsächlich in der Vorweihnachtszeit im Angebot steht, waren die alten Model beim Feinbäcker das ganze Jahr über in Gebrauch. Sowohl die Ausstellung auch die Publikation vermitteln, dass die historischen Gebäckmodel mehr als nur Formen für süsses Naschwerk sind. Durch sie können wir viel über vergessene Kulturgeschichte erfahren.

Judith Keller (19.11.19)


Zur Ausstellung

Die Ausstellung «Augenschmaus. Faszination Gebäckmodel» wird am 7. Dezember um 11.30 Uhr mit einer Vernissage eröffnet und endet am 13. April 2020. Es finden auch Führungen durch die Ausstellung statt.

Nähere Infos: www.allerheiligen.ch 


 

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Der Samichlaus in zeitgenössischen Hosen und Spitzhut holt Backwaren vom Regal, während sein Esel auf ihn wartet (Model aus dem 17. Jh.).

 

 

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Neuerwerbungen von Gebäckmodeln im Museum zu Allerheiligen.



Bilder: Judith Keller

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