Eindrücke vom Weltjugendtag 2023

Am 1. August hat der Weltjugendtag (WJT) in Lissabon begonnen. Lina Roski (17), eine Teilnehmerin aus Amriswil, berichtet jeden Tag, was sie dort mit ihren Kolleg*innen erlebt hat.

Am 29. Juli haben sich etwa 250 Jugendliche und junge Erwachsene aus der Schweiz mit Bussen auf den Weg nach Lissabon gemacht, um dort am WJT teilzunehmen. Darunter befindet sich auch eine Gruppe von Ministrant*innen aus Amriswil, die von der pastoralen Mitarbeiterin Stephanie Schildknecht begleitet wird. Eine Teilnehmerin aus dieser Gruppe, Lina Roski, wird in den nächsten Tagen an dieser Stelle ihre Eindrücke vom WJT schildern.

 

Dienstag, 1. August
Nach einer erstaunlich erholsamen Nacht in unserer Unterkunft - wir schliefen auf Matten - gab es zuerst einmal Frühstück und anschliessend das Morgengebet mit allen zusammen.
Danach ging es schon sehr bald auf zum ersten Teil des heutigen Programms: dem Schweizertreffen in einem Vorort vor Lissabon. Alle Gruppen vereint zählten wir 1´000 Schweizerinnen und Schweizer, die zusammen den 1. August und den katholischen Glauben feierten. Dabei hat Bischof Peter Bircher auf der Bühne über die Wichtigkeit der Taufe geredet und uns einen Rosenkranz geschenkt. Die Schweizer Botschaft wünschte uns viele tolle Erfahrungen am Weltjugendtag und einen schönen 1. August. Zudem haben drei Jugendliche ein Zeugnis ihres Glaubens im Alltag abgegeben.
Nach dem Mittagessen gings auf zu einem Konzert, dass vom WJT organisiert wurde. Wir trafen dort bereits schon auf viele verschiedene Nationen, aber als sich die Zeit langsam gegen sieben Uhr wendete, gings erst richtig los. Der Strom von Menschen schien schier endlos. Mit ca. 1 Million Menschen haben wir schlussendlich zusammen die Heilige Messe gefeiert. Danach unterhielten wir uns mit den anderen Menschen, tauschten Geschenke aus und schossen Bilder. Die Stimmung war ausgelassen. Es wurde gelacht, gesungen und getanzt.

 

Mittwoch, 2. August
Heute Morgen gab es eine Katechese in einer Kirche der katholischen Universität. Wir haben ganz viel gesungen, unter anderem das Lied «Es isch guet, dich z lobe üse Gott» bei dem alle ganz heiter mitgeklatscht haben und das im Übrigen auch mein Lieblingslied ist. Schwester Helena hat ein Zeugnis gegeben mit drei Punkten, die mich sehr mitgerissen haben. Sie hat von ihrem früheren Leben geredet, als sie immerzu eine leise Sehnsucht verspürte, in ein Kloster zu gehen. Für sie war es ein sanftes Anstupsen von Gott, was sie zuerst nicht bemerkte, weil es so subtil war. Das ist der erste Punkt: Gott spricht leise. Für diesen Wunsch musste sie allerdings ihre Arbeit und Wohnung aufgeben und von ihrer Familie wegziehen, womit wir zum nächsten Punkt kommen: Sei mutig. Wage den Schritt, sonst wirst du nie Gewissheit haben. Schwester Helena hat aber auf ihre Sehnsucht - manche würden es Bauchgefühl nennen - gehört und es nicht abgetan. Man sollte also auf seine Sehnsucht vertrauen. Diese Rede hat mich ganz besonders angesprochen, weil sie meine Fragen beantwortete.
Als nächstes kam Bischof Hermann Glettler. Er hat das diesjährige Motto «Maria machte sich eilig auf den Weg» sehr gut erläutert. Das «eilen» sagt uns, dass Maria es mit Elan gemacht hat, weil sie entschlossen war. Nachdem ihr der Engel erschienen ist, hat sie nicht lange gewartet, sondern ist geeilt. Das Gegenteil wäre die Trägheit, die uns von so vielem abhält. «Was ist das grösste Lähmungsmittel?», fragte Bischof Hermann, «Unversöhnlichkeit». Man sollte Eifersucht, Hass usw. vor Gott ablegen, damit es den Weg nicht versperrt. Es gibt so viele Chancen dies bei der Beichte zu tun.
Es wurde noch über andere Erkenntnisse und Überzeugungen gesprochen. Bischof Joseph von Kärnt erklärte, dass es ganz verschiedene Wege gibt, die Liebe Jesus auszuleben und dafür etwas aufzugeben. Ich und meine Freunde fanden alles sehr eindrücklich.Am Nachmittag sind wir zur City of Joy gegangen, wo wir den Papst vorbeifahren sahen. Wegen den heissen Temperaturen durfte ein Fussbad im Brunnen auch nicht fehlen. Und um den Tag ganz ausklingen zu lassen, haben wir eine biblische Version von Werwölfen gespielt, die uns alle prächtig amüsiert hat.

 

Donnerstag, 3. August
Wie so oft gab es heute Morgen eine Katechese. Lukas hat in seinem Impuls von seinem Jahr in Oasis (ein christliches Orientierungsjahr) erzählt. Damals war er nicht sehr christlich, entstammte aber trotzdem einer christlichen Familie. In diesem Jahr sind sie unter anderem von Zug auf Freiburg gepilgert und jeden Tag um 5 Uhr aufgestanden. Er hat erzählt, wie es ihn nervte, so oft den Rosenkranz zu beten oder in die Messe zu gehen. Aber im Verlaufe der Zeit hat er zum Glauben gefunden, indem er die Gebete richtig verstand und die Liebe Gottes erkannte. «Es war ein weiter Weg bis dorthin», meinte er. Das hat mir klargemacht, dass man für den Glauben etwas tun muss. Er kommt nicht von alleine, aber wer sucht, der wird finden.
Jugendbischof Alain de Remy hat ebenfalls inspirierende Worte gesprochen. Seine lockere Art machte ihn mir sofort sympathisch. Er sprach über die Gegensätze in der Bibel. Das Fazit, welches ich mit auf den Weg nehme, ist, dass Gottes Liebe und die Beziehung zu ihm so vielfältig ist, dass es für uns Menschen jeden Tag eine Herausforderung ist, alle Anforderungen abzudecken. Wir können Gott nicht ganz verstehen, aber wir sind sein Abbild. Wenn wir ihm also eines Tages gegenüberstehen, so werden wir ihn begreifen und sehen, wer wir schon immer waren. Die Impulse gefallen mir wirklich sehr, vor dem WJT habe ich so etwas nur mässig gekannt.
Am Nachmittag kam es zum Top Event des Tages: der Papst live. Unsere Gruppe konnte sich einen guten Platz ergattern und so konnten wir den Papst fotografieren, als er vorbeifuhr. Es war unglaublich eng wegen der vielen tausend Leute und als der Papst bei uns ankam, fing das Publikum an zu jubeln. Die Euphorie hat sich sogleich auf uns übertragen.
Als sich der Tag langsam zum Ende neigte, beschlossen ich und meine Gruppe, noch etwas in den Strassen herumzulaufen und Leute zu treffen. Es war noch immer viel los, hier und da wurde getanzt oder sich abgeklatscht. Wir haben uns einfach ganz untypisch schweizerisch dazugesellt. Wir konnten sogar ein Foto mit Polizisten schiessen, das war wirklich lustig. Allgemein waren alle Menschen richtig nett und offen. Gegenseitig hat man die Flagge oder das T-Shirt des anderen unterschrieben, das ist wohl üblich so. Ein Andenken bleibt uns also sicher!

 

Freitag, 4. August
In der heutigen Katechese ging es um die Versöhnung. Wie schon gestern erwähnt, können wir uns nur Gott ganz zuwenden, wenn wir nicht im Konflikt sind. Bischof Franz-Josef Overbeck von Essen hat uns die Beichte sehr ans Herz gelegt, weil wir während der Beichte mit Jesus in Kontakt kommen. Das ist ein essenzieller Moment. Die beste Vorbereitung darauf sind nicht etwa die Worte, die gesagt werden müssen, sondern Jesus im Gebet zu begegnen. Die Beichte gibt uns die Chance, wieder neu anzufangen. Es ist ein befreiender Moment. Ich habe während der heutigen Katechese selbst gebeichtet. Zuerst hatte ich ein wenig Angst, aber als ich die vielen Jugendlichen sah, die bereits anstanden, habe ich mir ein Herz gefasst und es getan. Die Stimmung hat wohl auch dazu beigetragen. Es war ein sehr stiller Tag, der zum in sich Eintauchen gedacht war.
Zudem hat der Bischof gesagt, dass es wichtig ist, zu allen Getauften offen zu sein, egal ob sie katholisch sind oder nicht. Wir müssen auf die Gemeinsamkeiten schauen und uns somit stärken. Nur so können wir den Frieden wahren. Dasselbe gilt in der Ehe. Man muss eine gewisse Toleranz an den Tag legen und die Andersheit des Gegenübers akzeptieren, damit das Zusammenleben funktioniert. In jedem Menschen steckt nämlich Jesus. Das hat mich an meine jetzige Situation erinnert. Wenn man mit einer Gruppe unterwegs ist, muss man auch immer Rücksicht auf andere nehmen. Das merkt man sehr, wenn man alle 10 Minuten stehen bleibt, weil die einen sich umentschieden haben. Aber trotzdem erfreue ich mich jeden Tag an meiner Gruppe, weil wir es miteinander lustig haben, egal was gerade ansteht.
Am Nachmittag sind wir noch in die Kirche Ingreja de São Domingos gegangen, um dort der Musik zu lauschen und die Kirche zu bewundern. Sie ist 1959 bis auf die Grundmauern abgebrannt, wurde dann aber wieder aufgebaut. Die Spuren sieht man allerdings heute noch. Eigentlich wollten wir dort zu einem Taizé-Gebet gehen. Das hat dann aber nicht funktioniert, weil der Raum bis auf den letzten Platz besetzt war.
Am Abend haben wir bei gemütlichem Beisammensein die Übertragung des Kreuzweges in unserer Unterkunft auf dem Tablet verfolgt, da wir am nächsten Tag früh aufstehen müssen.

Samstag, 5. August
Heute Morgen um 7:30 Uhr haben sich alle Bewohner unserer Unterkunft vor dem Eingang versammelt, um dann Richtung Metro aufzubrechen. Leider sind wir schliesslich eine halbe Stunde später losgegangen, da einige noch fertig packen mussten. Es ging nämlich ab zum Tejo-Park. Dort werden alle Menschen, die am WJT teilnehmen, von Samstag auf Sonntag unter freiem Himmel übernachten. Der Höhepunkt des Weltjugendtages steht kurz bevor!
Die Strassen wurden für Autofahrer gesperrt, damit die riesige Menschenmasse unbeschadet hindurchziehen konnten. Trotzdem ging es langsamer als im Schritttempo voran. Eigentlich ginge der Fussweg bis dorthin nur zwei Stunden, aber schlussendlich brauchten wir acht Stunden um anzukommen. Obwohl es mit 37 Grad sehr heiss war und man zusätzlich Schulter an Schulter stand, fand ich es ein tolles Erlebnis. Man muss so etwas mit eigenen Augen gesehen haben. Dass tausende Menschen sich versammeln, um denselben Glauben zu feiern, finde ich immer wieder eindrücklich.
Das Feld selbst war in Sektoren unterteilt. Es war unendlich gross, wir hatten aber zum Glück einen Platz ziemlich weit vorne. Ausserdem sahen wir von unserem Platz aus gut auf den Bildschirm, der das aktuelle Geschehen zeigte. Meist war jemand am Singen, aber manchmal wurde auch eine Ansprache gehalten. Auf dem Feld lag man ziemlich nahe aufeinander, aber das störte mich nicht weiter. Die Stimmung war sehr entspannt, denn jeder schien von diesem Tag erschöpft zu sein.
Als aber der Papst ankam, erwachten alle wieder zum Leben. Es gab zuerst eine Performance von 50 Jugendlichen, danach hielt der Papst seine improvisierte Rede. Er sagte, dass Freude immer missionarisch sei. Wenn deine Eltern also Wurzel deiner Freude gewesen seien, dann solltest du das auch so weiterführen. Und vor allem sollte man die Wurzeln tief und nicht breit schlagen, denn innige Beziehungen seien die, die zählen. Falls einer fallen sollte, dann liege es an dir, ihm aufzuhelfen. Und zuletzt noch der Satz: «Im Leben ist nichts gratis, aber eines doch: die Liebe Jesu». Danach folgte eine eucharistische Anbetung, worauf es auf dem ganzen Platz ganz still wurde -es wurde gebetet.
Zum Schluss leuchtete ein Feuerwerk über den Himmel, das von Drohnen produziert wurde. Es sah wunderschön aus.

Sonntag, 6. August
Heute Morgen wurden wir durch Musik geweckt. Das war bis jetzt meine erholsamste Nacht, obwohl ich unter freiem Himmel schlief. Der Sonnenaufgang war wunderschön mitanzusehen. So war ich froh, dass wir früh geweckt wurden.
Damit noch die letzten aufstanden, kam nach einer Weile ein Pfarrer als DJ vorbei, der auf dem Mischpult fetzige Technomusik laufen liess. Danach feierten wir die Heilige Messe mit allen zusammen. Unsere Gruppe ging allerdings nach der Verteilung der Hostie, in der Hoffnung, somit nicht ganz im Getümmel unterzugehen. In einer extremen Hitzewelle haben wir unseren ganzen Salzgehalt ausgeschwitzt. Es herrschten 40 Grad, zudem schien die pralle Sonne auf unsere Köpfe herab. So mussten wir vier Stunden zu unserer Unterkunft laufen. Am Ende waren wir völlig durchgeschwitzt und ermüdet. Zusätzlich wurden uns die Türen nicht geöffnet, sodass wir draussen warten mussten. Ich konnte dafür eine schöne Unterhaltung mit meinen Freunden führen. Als wir endlich reingelassen wurden, wollten natürlich alle duschen gehen. Die Duschen waren folglich überfüllt.
Aber als um halb sieben die gemeinsame Verabschiedung stattfand, schien aller Unmut vergessen. Wir sangen unter anderem «Alléluja jubilate» und «Heiweh», was richtig schön war. Als nächstes wurden Leute umarmt und man stieg in seinen Bus. Ich muss sagen, dass ich durch den WJT mich zu vielen Menschen enger verbunden fühle als vorher. Zudem habe ich neue schöne Lieder kennenlernen dürfen. Und zu guter Letzt habe ich gelernt, eine warme, private Dusche zu schätzen. Aber ich muss vorwarnen, dass für Leute, die gerne die Ruhe oder das stille Gebet bevorzugen, der WJT nicht so gut geeignet ist. Man muss Menschen mögen und mit wenigen Ansprüchen dorthin gehen. Aber ich kann nicht leugnen, dass es eine Bereicherung für alle ist, dort einmal mitzumachen. Denn man wird nirgendwo mehr in Geduld gelehrt, als am WJT.

Lina Roski


Zum Weltjugendtag
Johannes Paul II. hat die Weltjugendtage, die etwa alle drei Jahre stattfinden, ins Leben gerufen, um junge Menschen für den glauben zu begeistern. Der letzte WJT fand 2019 in Panama statt. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde der WJT in Lissabon um ein Jahr verschoben. Das Treffen, das vom 1. bis 6. August dauert, steht unter dem Thema «Maria stand auf und machte sich eilig auf den Weg» (Lk 1, 39). Es werden mehr als 600´000 Teilnehmende erwartet.

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Quelle: Nadja Todorovic
Lina Roski (r) mit einem Teilnehmer aus ihrer Gruppe beim 1. August-Fest
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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Quelle: Stephanie Schildknecht
Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler deutet das Motto des WJT.
 
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Quelle: Stephanie Schildknecht
Teilnehmer*innen aus Amriswil erfrischen sich im Brunnen von Belém.
 
 
 
 
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Quelle: Andrej Maric
Die Amriswiler Gruppe konnte den Papst von Nahem sehen.
 
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Quelle: Michèle Käppeli
Beim Streifzug durch Lissabon gelang sogar ein Foto mit Polizisten.
 
 
 
 
 
 
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Quelle: Nadja Todorovic
Einblick in die Igreja de São Domingos
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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Quelle: Lina Roski
Auf dem Weg zum grossen Versammlungsort auf dem Feld ​
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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Quelle: Stephanie Schildknecht
Sonnenaufgang nach einer Nacht im Freien
 

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