Eine interaktive Ausstellung im Museum zu Allerheiligen
Diese und viele weitere Fragen werden in der Schaffhauser Werkstattausstellung «Mensch und Landschaft» des Museums gestellt. Premiere ist, dass die Besuchenden die Präsentation interaktiv bereichern und verändern: Ihre selbstgeformten Traumorte wachsen zu einer Relieflandschaft zusammen. Ihre Sprachnachrichten, Fotos und literarischen Postkarten von den Aussenstationen werden in dieser Ausstellung integriert. Empfehlenswert sind mehrere Besuche, um die Veränderungen vor Ort und möglicherweise bei sich selbst zu entdecken.
Eine Landschaft wahrnehmen ist etwas Persönliches. Das führt ein Sprach-Potpourri von Interviewten aus verschiedenen Berufen vor. Ihre Gedanken, Gefühle und Kenntnisse äussern sie genau an den Landschaftsorten, wo einst Maler*innen ihre Bildausschnitte gewählt haben. Währenddessen können die Besuchenden diese fünf Schaffhauser Landschaftsbilder auf sich wirken lassen. Neugierig machen die emotionalen Spots, die die Gäste mit vier Farbpunkten auf der Schaffhauser Umgebungskarte platzieren können. Hier lernt man Lieblingsorte von anderen kennen und liest auf einer passenden Karteikarte das Warum dazu. Welcher Ort ist mit einem persönlichen speziellen Ereignis verbunden? Wo hat jemand Veränderungen besonders wahrgenommen? Warum findet man einen Ort besonders abstossend? «Das Wesen einer Landschaft definiert sich nicht durch die Anzahl Bäume, Strassen und Häuser», findet der Kurator Urs Weibel. «Eine Landschaft braucht einen Betrachter, der mit allen Sinnen die Stimmung und das Ganze wahrnimmt.»
Werkstatt-Charakter
In dieser Werkstatt-Ausstellung, die bis zum 30. Oktober geöffnet hat, werden die Besuchenden aufgefordert, mitzuarbeiten, zu forschen und zu gestalten. Bereits am Museumseingang können sie aus einem Lehmklumpen individuelle Traum-Landschaften formen. Im Laufe der Ausstellungsdauer entwickeln sich die Fantasie-Reliefs zu einem topografischen Gemeinschaftswerk. Um Platz und Bühne für die Interaktionen zu schaffen, wird die Ausstellung Anfang Juli teilweise umgebaut. Interessant ist ein Triptychon mit persönlichen Fensterausblicken von Besuchenden. Ihre drei zugesendeten Fensterfotos von daheim, vom Arbeitsplatz oder während ihrer Bahnfahrt zeigen Momentaufnahmen zu verschiedenen Tageszeiten oder Wetterverhältnissen nebeneinander. Somit können alle den Wandel einer Landschaft schon durch regelmässige Ausblicke im Alltag erforschen.
Aussenlabors
Um eine Landschaft mit allen Sinnen zu erleben, werden Museumsgäste und Spaziergänger*innen eingeladen, die extra installierten Aussenstationen zu nutzen. Die zahlreichen Wahrnehmungen der Teilnehmenden führen zu vielfältigen Landschaftserfahrungen. Auf den beiden Hochsitzen in der Alten Chiesgrueb in Neuhausen können die individuellen Wald- und Feldbeobachtungen per Sprachnachrichten beschrieben und ins Museum geschickt werden. Sogar Selfies mit Rheinfall-Kulisse werden plötzlich museal. Diese Selbstinszenierungen bilden einen Kontrast zu den Rheinfall-Gemälden in der Ausstellung. Der Kurator Andreas Rüfenacht weist darauf hin, dass die Künstler*innen das Naturschauspiel in den Vordergrund gerückt haben. Die klein dargestellten Menschen werden in den Bildern zu Statisten degradiert und dadurch wird das Gigantische hervorgehoben. Wer von einem Landschaftslabor eher künstlerisch inspiriert werden möchte, sucht den Steinbruch am Ende des Fäsenstaubpromenaden-Parks in der Kantonsstadt auf. Auf den parat liegenden Postkarten kann man seine Eindrücke zeichnen oder literarisch festhalten und in den Briefkasten stecken, während an der Forschungsstation der Neher-Anlage die Spaziergänger nach ihrem Nutzungsverhalten und ihrer Wahrnehmung des Schaffhauser Höhenwegs befragt werden. Diese Daten werden laufend ausgewertet und im Museum präsentiert.
Permanenter Wandel
Im Vordergrund der Ausstellung steht die persönliche Wahrnehmung und Wechselbeziehung des Menschen zur Landschaft. Möglichst alle Sinne sollen angesprochen werden. Die Interaktionen können den einen sensibilisieren und den anderen anregen. «Wir wollen die Leute motivieren, selber Antworten zu finden», erklärt Urs Weibel. Die Veränderungen der Präsentation sollen den permanenten Wandel von Landschaften widerspiegeln. Eine poetische Reise durch die Sandlandschaften ist durch eine raumausfüllende Videoinstallation «Liquid Time» der Künstlerin Monica Ursina Jäger parallel zur Ausstellung zu erleben.
Judith Keller, 11.05.2022
■ Nähere Infos mit Begleitprogramm: www.allerheiligen.ch
Kommentare