Thema der Schaffhauser Friedhofsführungen 2025
Markus Sieber hat Theologie studiert und an der Pädagogischen Hochschule Schaffhausen Kultur und Geschichte unterrichtet. Seit seiner Pensionierung bietet er Führungen im Waldfriedhof Schaffhausen an. Im Interview mit Kirche ohne Grenzen spricht er darüber, wie das Ganze entstanden ist und was seine Intentionen sind.
Wie sind Sie zum Entschluss gekommen, diese Führungen zu machen ? Wie bestimmen Sie Ihr Jahresthema ?
Vor sechs Jahren wurde ich pensioniert, und seitdem mache ich Führungen im Waldfriedhof Schaffhausen. Ich interessiere mich für Menschen und für die Fragen unseres Menschseins, zum Beispiel : Wo kommen wir her, wohin gehen wir ? Der Waldfriedhof Schaffhausen ist ein nachdenklicher Ort und hat viele Geschichten zu erzählen. Mit diesen Führungen möchte ich Geschichten erzählen, die Denkanstösse liefern. Das Jahresmotto ergibt sich oft während der Führungen. Beim diesjährigen Thema habe ich mich gefragt, wo all die verstorbenen Personen eigentlich herkommen und was ihr Leben geprägt hat. Ich interessiere mich neben der Philosophie auch sehr für Geschichte. Der Friedhof ist ein Ort, der alle Menschen verbindet, egal, wie unterschiedlich unsere Haltungen oder Kulturen sind – und deshalb gefällt mir dieser Ort sehr.
Was war Ihr prägendstes Erlebnis während der Führungen im Waldfriedhof ?
Ich kann mich gerade an zwei Situationen erinnern. Die erste war während des Corona-Lockdowns, als drinnen keine Veranstaltungen durchgeführt werden konnten. Da habe ich weiterhin meine Führungen gemacht, weil sie im Freien stattfinden und Masken getragen werden konnten. In dieser Zeit hatte ich bei einigen Führungen bis zu 50 Personen.
Die zweite Situation war, als ich an einem Grab stand, um von einer Person, über die ich Recherchen betrieben hatte, Anekdoten zu erzählen. Dabei ist mir aufgefallen, dass eine teilnehmende Person sehr aufmerksam zuhörte. Es stellte sich heraus, dass diese Person den Verstorbenen kannte. Solche Situationen sind mir schon mehrmals passiert. Ich frage dann immer, ob diese Person noch mehr Geschichten über die Verstorbenen erzählen könnte.
Wie läuft eine solche Führung ab ? Wie bereiten Sie sich darauf vor ?
Die Führungen finden zwischen Frühling und Herbst jeden Monat einmal an einem Samstagnachmittag statt und dauern etwa 80 Minuten. Die Vorbereitung ist für mich persönlich immer ein Abenteuer, denn ich recherchiere über die Personen, die im Waldfriedhof begraben sind. Dieses Jahr lege ich den Fokus darauf, woher die Verstorbenen kamen. Die Recherche bereitet mir am meisten Freude und ist gleichzeitig das zeitintensivste Element der Vorbereitung.
Bald haben wir Pfingsten. Was ist für Sie am wichtigsten an diesem christlichen Feiertag ?
Das Wichtigste ist mir, dass es nicht so klar ist, was wir da feiern. Man redet vom Heiligen Geist, aber das deutsche Wort passt nicht zu dem, was in der Bibel gemeint ist, nämlich Wind, Hauch, Atem – also all das, was uns bewegt. Darum finde ich es gut, wenn es die Menschen an Pfingsten nach draussen in die Natur zieht.
Auf der anderen Seite geht es an Pfingsten darum, einander auch über die Grenzen von Sprache und Kultur zu verstehen. Darum ist es mir während der Führungen wichtig, dass die Teilnehmenden untereinander ebenfalls ins Gespräch kommen, also in diesem Jahr einander nach der Herkunft fragen.
Was ist Ihr Lieblingsbibelvers in Bezug auf unser Interview und weshalb ?
« Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. » (Matthäus 18,20)
Ich finde dieses Zitat sehr passend zu meinen Führungen und auch zum Feiertag Pfingsten. Denn dieser Bibelvers zeigt mir, dass niemand Gott für sich beanspruchen kann, sondern dass er immer das Geheimnis dazwischen ist. So können wir Barrieren wie Sprache, Kultur und politische Einstellungen überwinden und an einem Ort, der uns alle verbindet, zum Beispiel dem Friedhof, Verständigung und friedvolle Kommunikation erleben.
Interview & Übersetzung : Filmon Kidane, 27.5.25
Die nächste Führung im Waldfriedhof findet am 7. Juni statt. Weitere Infos
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