Freiwillige verrichten wichtige Arbeit, sind aber Mangelware
Einmal in der Woche treffen sich Geflüchtete, Expats und freiwillige Helferinnen und Helfer im Deutsch-Café. Die Unterstützer der Schwächeren suchen dabei selbst nach Unterstützung und laden zu einem Kaffeekränzchen nach Frauenfeld.
Für das vereinbarte Interview hat das Netzwerk Asyl in Frauenfeld gleich das ganze verfügbare Leitungsteam des Deutsch-Cafés aufgeboten. Was zu einer eher ungewöhnlichen Interview-Situation führt, unterstreicht das Engagement und den Einsatzwillen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wie an vielen anderen Orten liegt den Freiwilligen die Hilfe für Fremdsprachige am Herzen. « Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt », sagte der österreichische Philosoph Ludwig Wittgenstein. Oder wie es in unserer Runde genannt wird : « Sprache ist der Schlüssel. » Unbestritten stellt die Sprachgrenze bei der Integration von Menschen eine der grössten Hürden dar. « Dies bekommen nicht nur Geflüchtete zu spüren », betonen die Frauenfelder Netzwerker, « sondern auch Expats. » Das sind Zugezogene, welche die deutsche Sprache noch nicht beherrschen. Wobei das Noch in Klammern gesetzt werden müsste, weil gerade darauf die Hilfe abzielt.
Umfeld aufbauen
Jeweils montags treffen sie sich, in unserem Fall, im Deutsch-Café in der Kantonsbibliothek in Frauenfeld. Nach einer Einführung in ein Thema, einem kurzen Vortrag oder dem Formulieren eines Lernziels werden betreute Kleingruppen gebildet. Oft entwickeln sich beim gemeinsamen Lernen persönliche Beziehungen. Zum einen unter den Teilnehmenden, aber auch zu den Freiwilligen. « Speziell bei geflüchteten Menschen besteht oft ein grösserer Bedarf an Unterstützung. » Beispielsweise im Umgang mit Behörden, Ämtern oder Schulen. Letzteren wird eine hohe Sensibilität für die Probleme der Benachteiligten attestiert, dazu aber ebenfalls eine oft hohe Überlastung. Somit ist die öffentliche Hand froh um die Hilfe engagierter Personen. « Manchmal hilft es schon, wenn man erklärt, was auf dem Aufgebot für eine Schulreise steht. »
Die Treffen im Deutsch-Café helfen, ein soziales Umfeld aufzubauen. Verschiedentlich entwickeln sich dabei nachhaltige Freundschaften. Die Freiwilligen unterstreichen diese Aussage mit Geschichten von zusätzlichem Gitarrenunterricht, Grosselterndiensten oder der erfolgreichen Vermittlung einer Lehrstelle. « Unsere Arbeit ist keinesfalls ein einseitiges Geben. Wir bekommen viel zurück. »
« Man muss Menschen mögen »
Vielerorts in der Schweiz bestehen gleiche oder ähnliche Angebote wie in Frauenfeld. Gemeinsam ist allen dasselbe Problem : Es fehlt an freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. In ländlicheren Gemeinden als der Thurgauer Hauptstadt akzentuiert sich dies noch mehr. « In kleinen Ortschaften gibt es manchmal überhaupt niemanden, der sich um die Anliegen von sprachlich Benachteiligten kümmert. » So verschieden die Beweggründe der freiwilligen Netzwerker sind, so unterschiedlich ist deren Hintergrund. Besondere Voraussetzungen sind nicht gefordert. « Wichtig ist einfach, dass man Menschen gerne hat. » Für Rechtsfragen stehen den Freiwilligen und Geflüchteten Fachleute zur Seite, insbesondere von der Arbeitsgruppe für Asylsuchende Thurgau (Agathu) in Kreuzlingen.
Win-win-Situation
Meistens geht es an den Montagnachmittagen aber nicht um die grossen Probleme. « Manchmal reicht es, einfach etwas vorzulesen oder sich vorlesen zu lassen. » Insbesondere Personen, die schon aus dem Berufsleben ausgeschieden sind, bietet sich im Deutsch-Café ebenfalls die Möglichkeit einer sinnvollen Beschäftigung und der Pflege der eigenen Sozialkontakte. Diese Win-win-Situation entsteht sowohl in der Gruppe als auch bei Einzelbegleitungen.
Für die Zukunft wünscht sich das Netzwerk Asyl – neben mehr Freiwilligen – eine gute Zusammenarbeit mit den Behörden. « Vieles hat sich in den vergangenen Jahren gut entwickelt », sind sich alle einig. Dazu trägt ein Runder Tisch bei, an den man sich regelmässig setzt und diskutiert. Was nochmals beweist, wie wichtig es ist, mit einer gemeinsamen Sprache Grenzen zu überwinden.
Ralph Weibel, forumKirche, 11.2.25
Kontakt: info@netzwerk-asyl-tg.ch
www.netzwerk-asyl-tg.ch
Kommentare